0518 - Höllenparadies
Auge. Immer wieder warf sie mir heimlich Blicke zu. Sie waren verstohlen, abschätzend, vielleicht sogar wissend. Jedenfalls konnte ich sie nicht genau deuten.
Für mich war Sandra eine rätselhafte Person. Ich ging nicht davon aus, daß sie Dreck am Stecken hatte, aber hinter ihrer glatten Fassade verbarg sich ein Geheimnis.
Ich hoffte sehr, daß ich bald in die Lage geriet, wieder mit ihr zu reden, denn ich wollte ihr noch weitere Fragen stellen und sie etwas in die Enge treiben.
Die Gelegenheit ergab sich. Einige Kunden standen an den Regalen und waren sich noch nicht schlüssig, was sie nehmen sollten.
»Da wäre noch etwas, Sandra.«
»Und was?«
»Kennen Sie Willy?«
Ich hatte gehofft, sie mit dieser Frage überrumpeln zu können, das schaffte ich leider nicht. »Willy? Wer soll das sein?«
»Jemand, der ebenfalls das Auge kennt.«
»Auch ein Kunde?«
»Das glaube ich nicht. Willy ist kein Kunde, eher das Gegenteil von dem, wenn Sie verstehen?«
»Tut mir leid, John! Wollen Sie sich nun einen Film aussuchen, oder nicht? Sie sehen, ich habe zu tun.«
Es lag auf der Hand, daß Sandra mich loswerden wollte, aber ich wollte noch nicht gehen und benahm mich deshalb wie jemand, der noch nach einem Film suchte.
Diesmal führte mich mein Weg zu den Komödien, wo ich schließlich einen Lustfilm fand, in dem Eddie Murphy die Hauptrolle spielte. Ihn wollte ich als Alibi mitnehmen.
Vor mir warteten noch drei weitere Kunden. Ich stellte mich an und schaute Sandra zu, die ihren Job mit großer Routine erledigte.
Die beiden Kunden waren zufrieden, gingen wieder, und ich war schließlich an der Reihe.
»Sie haben einen gefunden, John?«
»Ja.«
»Darf ich mir Ihre Personalien aufschreiben. Sie kommen dann in die Kundenkartei und…«
Wieder betrat jemand den Laden. Ich hörte es am Klingeln der Glocke und drehte mich automatisch um.
Ich dachte schon, mich würde der Schlag treffen. Die Person, die soeben das Geschäft betreten hatte, kannte ich gut.
Es war Sarah Goldwyn!
***
»Einen wunderschönen guten Tag«, sagte die Horror-Oma, die einen langen grünen Wollmantel trug und einen etwas steif wirkenden Hut auf dem Kopf hatte. »Da bin ich mal wieder.«
Sandra sah aus, als wüßte sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Zumindest zuckten ihre Mundwinkel, und sie gab den Gruß mit wesentlich leiserer Stimme zurück.
»Sarah!« rief ich.
Sie kam lachend näher, hatte sogar ihren Stock mitgenommen, auf den sie sich stützte. »John, mein Junge, so sieht man sich wieder.«
»Du hattest mir die Videothek ja empfohlen.«
»Stimmt. Bist du jetzt enttäuscht?« Sie blieb neben mir stehen.
»Nein, ich habe sogar einen Film gefunden.«
»Welchen?«
Ich sagte den Titel.
»Ach, den kennst du doch.« Sie schaute Sandra an. »Wahrscheinlich hat dich die Schönheit dieser jungen Lady durcheinandergebracht. Ist ja verständlich.« Lady Sarah schaute die goldhaarige Frau hinter der Theke an. »Sie sieht aus wie eine Filmfigur. Als würde sie aus einem anderen Land stammen. Aus einem Reich, das tief verborgen liegt, aus einer Welt der Fantasy. Ja, als käme sie aus Atlantis.«
Jetzt ging Sarah aber dick ran, und das merkte auch Sandra. »Was… was reden Sie denn?«
»Ich sage nur meine Meinung.«
»Hören Sie doch auf.«
»Nein, meine Liebe, ich fange erst an. Sie hören mir jetzt zu. Bin ich eine gute Kundin, oder bin ich es nicht?«
»Sie sind eine gute Kundin.«
»Wunderbar, Mädchen. Dann möchte ich auch in den Genuß des Clubs kommen. Sie verstehen?«
Sandra verzog das Gesicht. »Wie… wie meinen Sie das denn, Mrs. Goldwyn?«
»Ich weiß, daß hier ein Club existiert, und dem möchte ich gern beitreten.«
»Gerüchte!«
»Nein, Sandra. Weshalb streiten Sie alles ab? Den Club gibt es. Ich möchte ihn kennenlernen.«
»Und ich auch«, sagte ich leise.
»Da sehen Sie es, Sandra. Jetzt haben Sie schon zwei neue Mitglieder bekommen.«
Sie holte tief Atem. »Wenn ich Ihnen sage, daß dieser Club nicht existiert, daß er nur ein Gerücht ist…«
»Das glaube ich Ihnen wiederum nicht. Ich habe einfach zuviel gesehen, verstehen Sie? Es gibt Leute, die dem Club angehören. Sie kommen hier in den Laden und gehen auf diese Seitentür zu.« Sie zeigte darauf. »Was verbirgt sich dahinter? Die Club-Zentrale etwa?«
»Nein!«
»Was dann?«
»Ein normaler Raum, in dem man sich Filme anschauen kann.«
Lady Sarah begann hintergründig zu lächeln. »Film ist nicht gleich Film. Welche Streifen kann
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