0518 - Höllenparadies
einer Wand zur anderen ein gewaltiges Auge abzeichnete, dessen Pupille dunkelblau schimmerte.
In ihr sah ich den Killer.
Klein, nicht größer als eine Hand. Er hielt die Arme ausgestreckt, damit ich noch auf die Hände mit den langen Nägeln schauen konnte, von denen das Blut tropfte.
Ich sah auch sein Gesicht.
Es war zu einem häßlichen Lachen verzerrt. Ein stilles Lachen, als wäre es ihm auf den Lippen erfroren.
Dann war er verschwunden und mit ihm das Auge.
Ich ließ die Waffe sinken. Nicht länger als ein oder zwei Sekunden hatte mich der Anblick geschockt. Wieder einmal hatte mir Willy bewiesen, was er alles konnte.
Hinter mir stand Glenda. Sie berührte mich leicht und fragte:
»John, was war das?«
»Ein Auge«, antwortete ich auf dem Weg ins Büro. Dort suchte ich nach Spuren, doch Willy hatte keine hinterlassen.
»Und der Mann?«
»War Willy, ein Killer.«
Glenda schluckte. Sie war vieles von mir gewohnt. Sie kannte mich auch gut, und sie wußte, wann es besser war, wenn sie keine Fragen stellte. So einen Moment sah sie jetzt vor sich.
»Ich hole uns den Kaffee«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Ja, das wäre nett.«
Ich saß am Schreibtisch und preßte mein Gesicht rechts und links gegen die Handflächen. Allmählich wurde dieser Willy für mich wie zu einem Alptraum. Der konnte auftauchen und verschwinden, wann immer er wollte, und er stand unter dem Schutz des geheimnisvollen Auges.
Erst als Glenda die morgendliche Tasse Kaffee brachte, schaute ich auf. »Alles wieder okay?« fragte sie.
»Fast«, lächelte ich.
Auch sie hatte sich eine Tasse mitgebracht. »Dieser Mann ist wieder verschwunden?«
Ich nickte.
»Wieso? Wie konnte er herkommen und dann so einfach aus dem Zimmer verschwinden?«
»Ich kann es dir nicht erklären, Glenda. Nimm es als magisches Phänomen hin. Jedenfalls besitzt Willy einen großen Schutzpatron, der irgendwie auch etwas mit Atlantis zu tun hat. Was es genau ist, das werde ich noch herausfinden.« Ich trank den Kaffee. Er schmeckte und wärmte.
»Will er dich töten, John?«
»Bestimmt.«
»Und weshalb hat er das nicht getan? War die Gelegenheit nicht günstig genug?«
Ich lachte Glenda an. »So darfst du das nicht sehen, Mädchen. Natürlich war die Gelegenheit günstig, aber ich bin noch nicht an der Reihe. Es gibt Personen, die wahrscheinlich oder ganz bestimmt sogar, noch vor mir stehen.«
»Wer denn?«
»Sir James.«
Glenda wurde bleich. »Was sagst du? Sir James? Was hat der ihm denn getan?«
»Das ist eine Geschichte, die lange zurückliegt. Sogar mehr als zwanzig Jahre. Da hat es eigentlich mit Willy begonnen. Er war eine Bestie, ein brutaler Mörder, aber…«
Ich sprach nicht mehr weiter, weil aus dem Vorzimmer Stimmen ertönten. Sir James und Suko hatten den Raum betreten. »Ich bin schon hier!« rief ich in das Vorzimmer.
Sie erschienen zur gleichen Zeit und erkannten an meinem Gesicht, daß etwas passiert war.
»Du hast Ärger gehabt!« sagte Suko.
»Ja. Willy war hier.«
»Was?«
Ich nickte meinem Freund zu, der ein ebenso erstauntes und überraschtes Gesicht zog wie Sir James. »Glenda sah ihn zuerst. Gerade in dem Augenblick, als ich eintraf.«
»Und Sie haben ihn nicht aufhalten können, John?«
»Nein, Sir. Es war wieder das Auge da. Als ich ihn sah, befand er sich bereits in der Pupille und wurde noch tiefer hereingezogen. Da war nichts zu machen.«
Sir James ballte beide Hände, ein Zeichen seiner inneren Wut. »Er will uns lächerlich machen«, flüsterte er. »Dieser verfluchte Zombie will uns zum Narren halten.«
»Vorerst«, schränkte ich ein.
Mein Chef schaute mich an. »Sie rechnen damit, daß er bald richtig zuschlagen wird?«
»So ist es.«
Suko hatte eine Frage. »Läuft alles wie geplant, Sir?«
»Ja.«
Ich warnte indirekt. »Dabei kommen Sie wahrscheinlich mit anderen Menschen zusammen – oder nicht?«
Sir James verstand. »Sie denken daran, daß ich diese Personen mit in Gefahr bringen könnte?«
»Ja.«
»Das hat natürlich etwas für sich«, erklärte unser Chef. »Ich sollte meine Termine ändern.«
»Jedenfalls bleibe ich an Ihrer Seite«, erklärte Suko, »was immer auch geschieht.«
»Und ich schaue mir Sandras Höllenparadies einmal näher an. Mal sehen, welche Engel mir da noch begegnen werden.«
»Wenn du welche siehst, John, stutze ihnen die Flügel, auch in meinem Sinne.«
»Mach’ ich.«
Anschließend mußte ich lachen, weil Glenda ein Gesicht machte, als würde sie überhaupt
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