0519 - Das Auge von Atlantis
die in der Tiefe der Insel ihre Heimat gefunden hatten. Sie tauchten auf. Sie, die einmal Menschen gewesen waren und in meine Videothek kamen. Sie haben das Auge gesehen, sie waren fasziniert, ich aber veränderte sie.«
»Moment mal«, sagte ich. »Dann hat das Auge es geschafft, aus Menschen Monstren zu machen.«
»Ja!«
»Aber bei uns nicht!«
»Noch nicht, Sinclair!«
Lady Sarah und ich warfen uns einen bezeichnenden Blick zu.
Sollten wir hier von Glück sprechen?
Nein, soweit wollte ich nicht gehen. Sandra hatte sich bei uns bewußt zurückgehalten. Ihre letzte Antwort war deutlich genug gewesen. Wahrscheinlich würde sie uns einem seelischen Terror aussetzen, bevor sie dazu überging, uns zu verwandeln.
»Du denkst schon weiter, nicht?«
»So ist es.«
»Das kannst du auch, Sinclair. Dich und die alte Frau werde ich in den Reigen einreihen. Ich hatte euch nur die Gelegenheit geben wollen, euch ein wenig zu informieren. Ihr seid ja neugierig.«
»Das stimmt. Ich habe auch noch weitere Fragen. Was ist eigentlich mit Willy geschehen, diesem Killer?«
»Ich nahm mich seiner an.«
»Und weshalb?«
»Aus Enttäuschung«, sagte sie scharf. »Ich habe dir erklärt, wie enttäuscht ich von den Menschen gewesen bin. Deshalb beschloß ich, mich um diejenigen zu kümmern, die außerhalb der Normen standen.«
»Ja, um feige Mörder. Um Menschen, denen es nichts ausmacht, auch Frauen und Kinder zu töten!« schrie Lady Sarah. »Was bist du nur für eine miese Kreatur, Sandra?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich… ich verstehe nicht…«
»Du kennst meine Gründe.« Sie blieb gelassen.
»Was passierte mit Willy?« Ich ließ nicht locker.
»Ihn suchte ich mir aus. Gewissermaßen als Beispiel. Ich hatte ihn schon einige Zeit beobachtet. Er wäre von diesem anderen Mann damals getötet worden, doch ich rettete Willy. Was sind Flammen gegen die Kraft des Auges?«
»Wieso Flammen?«
»Willy wäre damals verbrannt, Sinclair. Im letzten Augenblick kam ich daher und rettete ihn. Das war alles. Es ist ganz einfach, wirklich. Man braucht nicht viel zu tun, um die Dankbarkeit der Menschen zu erlangen, glaub mir.«
»Du hast ihn wieder freigelassen? Weshalb?«
»Weil er weitermachen und abrechnen wollte. Das ist alles. Er konnte es einfach nicht auf sich sitzenlassen, daß seine Häscher überlebten. Ich ließ ihm Zeit und wartete über zwanzig Jahre ab. Dann entließ ich ihn, ich schickte ihn wieder zurück.«
»Das gibt es also auch?« fragte Lady Sarah.
»Natürlich. Allerdings nur, wenn ich es will. In dieser schützenden und beschützenden Welt des Auges existieren drei Möglichkeiten.« Sandra hob drei Finger, um es noch deutlicher zu dokumentieren. »Erstens kann man für immer hier bei mir bleiben und diese Welt genießen. Zweitens kann ich durch meine Kraft die Menschen wieder in die normale Welt entlassen. Das klappt als Monster oder so, wie sie gekommen sind. Und drittens kann man hier auch sterben.«
»Das hatte ich mir fast gedacht.«
»Wie schön, Sinclair, wie schön. Euch lasse ich die Wahl. Ihr könnt euch eine der beiden Alternativen aussuchen. Ist das nicht gut? Sagt mir, für welche ihr euch entschieden habt?«
»Weshalb nicht drei?«
Sandra oder Sandora lachte Lady Sarah an. »Ich werde doch nicht so dumm sein und dir die dritte Möglichkeit zur Verfügung stellen. Nein, das ist nicht drin, meine Liebe. Entweder bleibt ihr hier auf der Insel, oder ihr kehrt als Monstren zurück.«
Die Horror-Oma schaute mich an. »Was meinst du, John?«
»Mir gefällt keine der beiden.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Sandra lachend. »Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich für euch zu entscheiden hätte, würde ich sagen, daß ihr in meinem Reich bleibt. Vielleicht werdet ihr in zwanzig oder dreißig Jahren wieder einen Blick…«
»Dann bin ich tot!« erklärte Lady Sarah.
»Du willst also so zurück?«
»Ja.«
»Gut! Nur als Monstrum. Ich werde dich umwandeln.« Sie grinste scharf und kam einen Schritt näher. »Ich werde dich in eine Mutation verwandeln und dich dann in die normale Welt zurückschicken. Denkst du noch an die Leinwand in der Videothek. Dort wirst du auftreten. Wie eine Figur aus einem Film. Sie ist eine magische Zone. Sie ist der Weg in die Welt des Auges.«
»Hüte dich!« schrie Sarah Goldwyn.
Sandra blieb tatsächlich stehen. Sie hatte auch gesehen, wie meine Hand zur Waffe gezuckt war. Darüber konnte sie nur lachen. »Willst du auf mich schießen?«
»Wenn es sein
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