0519 - Das Auge von Atlantis
den es schon längst nicht mehr geben konnte und durfte, und der mich wieder einmal beschäftigte, weil es einer Magie gelungen war, die Zeiten zu verschieben.
Doch an diese Äußerlichkeiten dachte ich jetzt nicht. Für mich war wichtiger, daß ich hier einer Person entgegen ging, die zu meinen engsten Freunden zählte, trotz ihres relativ hohen Alters, was bei vielen Menschen aber keine Rolle spielte.
Lady Sarah Goldwyn kam mir entgegen, und ich schritt auf sie zu.
Zur gleichen Zeit blieben wir stehen und schauten uns gegenseitig an. Über Sarahs Zügen lag ein Schatten…
»John«, sagte sie nur.
Ich schwieg, weil ich dem Klang ihrer Stimme lauschen wollte.
War er noch der gleiche? Hatte sich Lady Sarah möglicherweise verändert, weil sie zwischen den Monstren gesteckt hatte?
Nein, sie sprach völlig normal.
Ich nickte ihr zu. »Willkommen«, sagte ich.
»Wo, mein Junge?«
»Vielleicht auf der Insel der Verlorenen.«
Ihr Lächeln wurde dünn. »Insel der Verlorenen«, wiederholte sie.
»Irgendwie hast du recht.« Lady Sarah schaute sich um. »Es muß einfach eine Insel sein. Ich sehe das Wasser, die Wellen… aber wo befindet sich eine Insel, über der ein bleicher Totenkopf am Himmel leuchtet?«
»Vielleicht in einer anderen Zeit.«
»In der Vergangenheit?«
»Möglich.«
»Du weißt es, John.«
Ich konnte Sarah Goldwyn einfach nicht belügen und nickte ihr zunächst zu. »Ja, ich weiß es. Wir befinden uns auf einem Eiland, das einmal zu Atlantis gehörte.«
»Das versunken ist.«
»Natürlich. Magie kennt keine Zeitschranken. Wir stecken tief in der Vergangenheit, noch vor dem Untergang. Und auf dieser Insel hat eine Seherin namens Sandora geherrscht, die sich jetzt Sandra nennt und es geschafft hat, den Weg in unsere Zeit zu finden. Sie konnte überleben, sie besaß einen Schutz.«
»Und wer schützte sie?«
»Das Auge, Sarah. Es war einzig und allein das Auge, das es schaffte, seine Magie und seine Kraft über Raum und Zeit hinweg zu strahlen. So muß man es erklären.«
»Und was denkst du, mein Junge?« Sie legte mir die Hand auf die Schulter. »Wie soll es weitergehen?«
»Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Sarah. Ich frage mich, wie es dir ergangen ist? Ich habe dich gesehen, als du von zwei Skeletten gehalten wurdest und inmitten einer Gruppe von Monstren im Boden stecktest.«
»Ja, das war schlimm, aber ich habe es überstanden. Ich wollte fliehen, ich…« Sie legte die Stirn in Falten und überlegte. »Es war gar nicht einfach. Sandra habe ich unterschätzt. Sie beherrscht die Monstren. Der Boden wurde zum Sumpf. Ich sackte ein und auch immer tiefer. Halten konnte ich mich nicht mehr.«
»Was dann?«
»Wie du schon sagtest, John, mich umgaben die Gestalten, aber sie taten mir nichts.« Sarah Goldwyn lachte plötzlich auf. »Weißt du was? Ich habe sogar meinen Stock verloren.«
»Das ist unwichtig.«
»Nein, er ist wichtig!« widersprach sie heftig. »Als ich einsackte, gelang es mir, einen Vampir zu pfählen. Ich rammte ihm die Stockspitze in die Brust. Er zerfiel.«
»Gratuliere.«
»Danke. Ich werde dir später gratulieren. Falls du eine Möglichkeit gefunden hast, von dieser Insel zu fliehen.«
»Ohne Hilfe bestimmt nicht.«
»Und wer sollte uns helfen?«
»Wer schon? Sandra alias Sandora. Sie hat uns hergeschafft, sie wird uns auch wieder wegschaffen.«
»Du glaubst doch nicht an den Weihnachtsmann, John Sinclair?«
»Eigentlich nicht.«
»Dann rede auch nicht so einen Unsinn! Denke darüber nach, wie wir aus eigener Kraft verschwinden können. Notfalls müßten wir an den Klippen hinabklettern.«
»Traust du dir das zu?«
»Wenn du mir dabei hilfst.«
Ob ich wollte oder nicht, ich mußte einfach lachen und auch Lady Sarah bewundern. Sie war eine Person, die sich durch nichts erschüttern ließ und auch ihren Humor behielt.
»Außerdem«, so fuhr sie fort, »braucht zu Hause in London noch jemand meine Hilfe. Jane Collins kann ich unmöglich allein lassen. Sie wird sich Sorgen machen.«
»Weiß sie, wo du hingegangen bist?«
»Natürlich.«
Ich schluckte und bekam so meine Ahnungen, die Sarah Goldwyn allerdings aussprach.
»Sobald es dunkel geworden ist und sie wieder ihr normales Gesicht besitzt, wird sie sich auf den Weg machen und mich suchen wollen.«
»Das, Lady Sarah, befürchte ich auch.«
Sie hatte noch eine weitere Frage. »Sag mal, John, was ist das für ein ungewöhnliches, blaues Licht, das uns umhüllt?«
»Es stammt aus
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