0519 - Das Auge von Atlantis
so konnte ich überleben.«
»Ich weiß.«
»Ihr könnt mir unbesorgt folgen. Es wird euch nichts passieren. Schließlich habt ihr euch entschlossen, bei mir zu bleiben, und das mit allen Konsequenzen – oder nicht?« Sie warf uns lauernde Blicke zu. Ob sie mein Nicken beruhigte, wußte ich nicht. Jedenfalls wollten Lady Sarah und ich zunächst die Dinge auf uns zukommen lassen.
Die Horror-Oma lehnte es ab, von mir gestützt zu werden. Sie hielt sich beim Gang in die Tiefe am Geländer fest. Ihre Handfläche schabte über den Lauf.
Ich schritt hinter ihr her. Über den Kopf mit den grauen Haaren schaute ich hinweg in das Tal.
Es war steinig. Nicht ein bißchen Grün wuchs an den steilen Hängen. Wie konnte ein Mensch hier existieren? Ohne Wasser, ohne etwas zu essen? Diese Welt war einfach zu feindlich. Da Sandra vorgegangen war, erreichte sie auch als erste die Mulde. Sie blieb stehen und erwartete uns. »Ich kann deine Gedanken erraten, Sinclair. Du fragst dich, wie du hier leben sollst, nicht wahr?«
»So ist es.«
Sie schüttelte den Kopf und zog dabei ein Gesicht, als hätte sie einen kleinen Jungen vor sich, der einfach nur ungläubig war. »Du solltest mich nicht unterschätzen. Für gewisse Dinge habe ich schon gesorgt, keine Bange.«
Da wir keine weiteren Fragen mehr stellten, drehte sich Sandra ab und schritt auf eine Felswand zu. Erst jetzt sah ich, daß sich in der Wand der Eingang zu einer Höhle befand. Er bestand aus einer normalen Holztür, die von Sandra zur Seite geschoben wurde.
»Bitte«, sagte sie mit falscher Freundlichkeit.
Wir betraten zögernd eine völlig andere Welt, in der es sogar Licht gab.
Das blaue Licht war überall. Es strahlte aus den Wänden, es stieg hoch vom Untergrund, und es hüllte die Einrichtung der Höhle ein, die wir hier nie vermutet hätten.
Kissen, Liegen, Teppiche, eine sprudelnde Quelle, und im Hintergrund sahen wir sogar einen kleinen Garten, in dem Früchte wuchsen.
Ein kleines Paradies…
»Meine Insel!« erklärte Sandra voller Stolz. »Ein Paradies, das schon über zehntausend Jahre Bestand hat. Wie gefällt es euch?«
»Beeindruckend«, erwiderte ich.
»Das meine ich auch.« Sie trat dicht an mich heran. »Hier läßt es sich leben, besonders an meiner Seite, Sinclair.«
Ich ging zur Seite. »Vielleicht.«
Sie verstand. »Du denkst immer noch über einen Ausweg nach?«
»Nein, im Moment nicht.«
»Das möchte ich dir und deiner Begleiterin geraten haben. Solltet ihr irgend etwas versuchen, das mir nicht paßt, wird sich dieses Paradies in eine Hölle verwandeln. Sandras Höllenparadies. Hier hat es seinen Anfang genommen. Hier habe ich ihm den Namen gegeben und ihn mitgenommen. Hier ist meine Fluchtburg. Ich allein besitze die Gabe, die Zeiten zu durchwandern und von einer Welt in die andere zu gelangen.«
»Einfach so?« fragte ich.
»Nein, dazu bedarf es eines gewissen Gegenstandes, eines Hilfsmittels, um genau zu sein.«
»Darf ich es sehen?«
Sie überlegte eine Weile. Schließlich nickte sie. »Ihr seid mir sicher«, erklärte sie. »Weshalb sollst du es dann nicht sehen? Schau her!« Sie trat an eine bestimmte Stelle der Wand, die von einem großen Teppich verdeckt wurde.
Den hob Sandra am unteren Rand an. Leicht wie eine Feder glitt er zur Seite.
Dahinter lag – zu unserem Erstaunen – ein glatte, grauweiße Fläche, auf der nichts mehr von dem blauen Licht zu sehen war, das die Höhle ausfüllte.
»Ist es das Tor?«
»Ja.«
»Dann könnten wir hindurch«, sagte Lady Sarah und tat so, als ob sie vorgehen wollte.
Sandra ließ sie einen Schritt weit kommen, bevor ihr Lachen die Horror-Oma stoppte. »Glaubt ihr denn, ich hätte es euch gezeigt, wenn es so einfach gewesen wäre? Nein, so leicht ist es nicht. Ihr werdet es nicht schaffen. Ihr könnt gegen die Wand schlagen und werdet euch blutige Fäuste holen, anstatt hineintauchen zu können. So etwas ist nur mir und meinen Freunden vergönnt. Ich beherrsche das magische Tor. Man muß selbst ein Teil der Magie sein, um es benutzen zu können. Das aber seid ihr nicht. Ihr seid…«
Ich hatte mich auf ihre Worte kaum konzentriert, weil mir etwas anderes viel wichtiger war.
Sandras Gestik irritierte mich. Sie wirkte plötzlich nervös, bewegte die Arme, auch den Kopf. Sie drehte ihn so, daß sie an der weißen Wand entlangschauen konnte.
»Stimmt etwas nicht?« fragte ich.
Scharf schaute sie mich an. »Was sollte nicht stimmen?«
Ich sah in ihre goldfarbenen Augen. »Du
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