Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0519 - Schatten des Grauens

0519 - Schatten des Grauens

Titel: 0519 - Schatten des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
zu können. Aber sie brachte die Konzentration dazu nicht auf.
    Sie ging in die kleine Küche hinüber, bereitete sich eine Kanne Tee zu. Der beruhigte sie vielleicht etwas. Aber als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, um dort abzuwarten, bis der Tee lange genug gezogen hatte, wartete dort der andere Schatten auf sie.
    Endlos lange Sekunden war sie völlig gelähmt. Der Schatten hier in ihrer Wohnung! Vorsichtshalber vergewisserte sie sich auch, daß es nicht ihr eigener war, der sich vielleicht wieder einmal selbständig gemacht hatte -aber er lag zu ihren Füßen!
    »Wem gehörst du?« flüsterte sie.
    Natürlich bekam sie keine Antwort. Schatten sprechen nicht. Aber dieser fremde Schatten begann sich jetzt zu bewegen. Er glitt auf den Tisch zu, und auf eine eigenartige Art und Weise schien er dabei gar nicht an optische Naturgesetze gebunden zu sein. Francine fürchtete, ihr Verstand müsse aushaken.
    »Warum verfolgst du mich? Was willst du von mir?« flüsterte sie. Kopfschüttelnd verfolgte sie jede Bewegung des Fremdschattens, hütete sich dabei aber auch, mit ihrem eigenen Schatten in die Nähe des anderen zu kommen. Die eine Durchdringung draußen vor der Haustür hatte ihr völlig gereicht. An einem zweiten »Elektroschock« war sie nicht interessiert.
    Obgleich es im nachhinein doch ein recht interessantes Empfinden gewesen war…
    Auf dem Tisch lagen eine aufgeschlagene Fernsehzeitung und ein Kugelschreiber. Eine Schattenhand faßte nach dem Schreiber, umschloß ihn. Es war, als bewege sich der dunkle Arm frei in der Luft, dabei war das doch völlig unmöglich! Schatten zeichnen sich nur auf festen Untergründen ab, sie können niemals frei schweben…
    Das glaubte sie zumindest, aber sie hatte weder jemals von der unbegreiflichen Fähigkeit eines Leonardo deMontagne gehört, noch von den außerirdischen Meeghs, jenen Kreaturen, die sich den Menschen immer als aufrecht, gehende, dreidimensionale Schatten gezeigt hatten… davon hätte ihr höchstens ein gewisser Professor Zamorra erzählen können - aber auf dessen Bekanntschaft hatte sie ja keinen Wert gelegt!
    Der Schatten, der mit seiner Hand den Stift erfaßt hatte, kritzelte jetzt Buchstaben auf den Zeitungsrand, ganze Wörter, Sätze. Er zog sich zurück, und ungehindert konnte Francine nach der Zeitung greifen, sie zu sich herumdrehen und lesen, was der Schatten geschrieben hatte.
    Ich möchte mit Ihnen sprechen. Meinen Schatten haben Sie kennengelernt, aber nichts geht über einen persönlichen Kontakt. Wir haben vieles gemeinsam. Darf ich Sie aufsuchen? Mein Name ist Yared Salem, und ich werde in etwa einer Minute an Ihrer Haustür klingeln. Bitte lassen sie uns miteinander sprechen - was unseren Schatten ja verwehrt ist.
    Francine schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Ich will nur meine Ruhe. Reicht es nicht, daß mein Schatten sich bewegt? Muß dieser andere mich auch noch heimsuchen?«
    Aber vielleicht konnte sie von ihm lernen? Er schien mit seiner Fähigkeit zurechtzukommen, auf jeden Fall besser als Francine. Als die Türklingel anschlug, hatte sie sich dazu durchgerungen, den Unbekannten zu empfangen. Aber leicht fiel es ihr durchaus nicht. Sie war nicht sicher, ob es richtig war, was sie tat.
    Sie sah sich nach dem fremden Schatten um. Der befand sich nicht mehr im Wohnzimmer. Er war einfach verschwunden.
    Da öffnete sie dem Fremden zögernd die Tür.
    ***
    Zamorra nahm mittels des Amuletts die Zeitspur auf. Zu seiner Erleichterung hatte Eysenbeiß-Salem sich bei seinem Rückzug an öffentliche Wege und Straßen gehalten, war nicht quer über Privatgrundstücke geflüchtet. Das war ihm vermutlich zu beschwerlich gewesen.
    In seiner Halbtrance, vorwiegend das Bild im Zentrum des Amuletts betrachtend, folgte Zamorra ihm. Nicole sorgte dafür, daß es zügig voranging und Zamorra weder stolperte noch blindlings in eine verkehrsreiche Straße stürmte - sofern man hier im Dorf überhaupt von »verkehrsreich« sprechen konnte. Immerhin: Wäre Zamorra allein unterwegs gewesen, hätte er weniger Kraft für seinen Halbtrance-Zustand aufwenden können, hätte mehr Konzentration auf seine normale, zeitgleiche Umgebung richten müssen. Das konnte er sich jetzt ersparen und kam daher relativ schnell voran.
    Bis zu dem Moment, als die Spur abriß.
    Unwillkürlich blieb der Meister des Übersinnlichen stehen. Er machte ein paar Schritte zurück, fand die Spur wieder, dieses Geisterbild des von Eysenbeiß besessenen und kontrollierten Ewigen.

Weitere Kostenlose Bücher