052 - Die Schlangengrube
passiert.«
»Du bleibst hier, Phillip!«, sagte Dorian.
Er schob Don Chapman unter die Jacke und stand auf. Am Ausgang hob er Don hoch, so dass er hinauf unters Zeltdach klettern und sich dort auf eine Stange setzen konnte.
»Bleib hier und beobachte!«, sagte der Dämonenkiller. »Ich muss genau Bescheid wissen über alles, was hier im Zelt vorgegangen ist. Es kann wichtig sein.«
»Gut«, sagte Don Chapman und kletterte geschickt nach oben.
Dorian verließ das Zelt. Er sah Lucia mit vier Schlangen und die alte Zarina in die Dunkelheit am Rand des Platzes laufen. Luis folgte ihnen mit einem Beil. Dorian schloss sich ihnen an.
Die Wohnwagen und das Schauzelt der Amalfis standen am Rand des Rummelplatzes. Die anderen Schausteller und die Besucher hatten offenbar nichts mitbekommen. Schlagermusik dudelte aus den Verstärkern, Riesenräder und Karussells drehten sich, Tausende von Glühbirnen leuchteten, und die Leute wimmelten in Scharen über den Platz.
Hinter dem Platz befand sich ein kleines Wäldchen. Hier suchten die Zigeuner mit Taschenlampen nach der Ursache der Schreie, die sie aufgestört hatten. Dorian sah den Wolfsmenschen Gunter, noch im Kostüm, mit einer Taschenlampe in der Hand und einem langen Messer bewaffnet. Herkules stapfte umher, der alte Rosario Amalfi und seine Frau, Anatol Drago und einige andere begleiteten ihn.
Anatol Drago entfernte sich von den Übrigen. Plötzlich gellte wieder ein Schrei durch die Nacht.
»Zu Hilfe! Zu Hilfe!«
Er taumelte aus der Dunkelheit unter den Bäumen hervor, totenbleich im Gesicht. Die anderen bestürmten ihn mit Fragen, aber er konnte nicht gleich antworten, stützte sich an einen Baum und übergab sich, bis er nichts mehr im Magen hatte.
»Der Dämon hat wieder zugeschlagen«, sagte er dann.
Alle redeten durcheinander, in Englisch, Romani und in anderen Sprachen und Dialekten.
Anatol Drago deutete mit zitternder Hand über die Schulter. »Er ist noch dort! Er frisst seine Opfer.«
Dorian entriss Gunter die Taschenlampe und eilte dorthin, wo Anatol Drago hergekommen war. Er leuchtete. Ein Bild des Grauens bot sich ihm.
Da war eine kleine Bank, und vor ihr lagen zwei verstümmelte Körper. Es waren ein junger Mann und eine junge Frau, deren Geschlecht Dorian nur noch an ihrem Rock erkennen konnte. Ein Liebespaar, das hier ungestört ein paar Küsse und Zärtlichkeiten hatte austauschen wollen.
Auf dem Leichnam der Frau saß ein scheußliches Monster. Es hatte eine mächtige Mähne, eine plattgedrückte Nase und ein blutiges Gebiss. Die Monsterfratze war blau, die Augen funkelten rot in den gelben Schlitzpupillen. Es bewegte sich auf stummelartigen Fortsätzen und war nicht groß; nach Dorians Schätzung maß es vielleicht einen halben Meter. Trotz seiner geringen Größe war das Monster aber ungeheuer gefräßig. Es hatte die beiden Leichen schon zur Hälfte aufgefressen und selbst Haare und Knochen nicht verschmäht. Jetzt fauchte es Dorian an. Einen Augenblick sah es so aus, als wollte es den Dämonenkiller anspringen.
Da aber kamen die Mitglieder der Amalfi-Sippe. Lucia ließ zwei ihrer Schlangen los und deutete auf das Monster. Der Wolfsmensch Gunter schleuderte sein Messer. Er war kein Experte wie die Söhne Raffaels, aber er hätte das Monster zweifelsohne getroffen. Doch blitzschnell und geschmeidig wich es aus. Es wollte seine Beute jedoch nicht ohne weiteres aufgeben; es fauchte und brüllte wie ein Löwe. Man konnte kaum glauben, dass aus diesem kleinen Körper eine so mächtige Stimme kam.
Der Muskelmensch Herkules mochte einfältig sein, feige war er aber nicht. Er nahm Luis das Beil aus der Hand und ging brüllend auf das Monster los. Eine von Lucias Schlangen hatte es erreicht. Sie stieß zu, aber ihre Giftzähne erwischten nur die Mähne des Monsters. Fauchend schüttelte es die Schlange ab, wich einem Beilhieb Herkules' aus und raste in die Dunkelheit. Dorian verfolgte es. Noch einmal sah er den scheußlichen Kopf des kleinen Ungeheuers, der fast nur aus Gebiss bestand, dann war es verschwunden.
»Hierher!«, rief Dorian.
Die Männer und Frauen von der Amalfi-Sippe folgten dem Dämonenkiller. Sie erreichten die Wohnwagen und das Schauzelt.
Dorian wusste nun, dass er sich getäuscht hatte. Das dämonische Ungeheuer war noch keineswegs unschädlich gemacht.
Bei den Wohnwagen und dem Schauzelt war das Monster nirgends zu sehen. Der Dämonenkiller sah sich um.
Lucia nahm eine Klapperschlange von ihrem Hals, zischte ihr etwas zu
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