052 - Invasion der Toten
sie kommen!«, zischte Wulfgar, schon zum fünften Mal in dieser Nacht.
Bisher war es immer Fehlalarm gewesen.
Raiker wollte ihm schon das vorlaute Maul mit der Faust verschließen, als er ebenfalls die Gestalten sah, die sich zwischen den Zypressen hervor schälten.
Schaufeln und Spitzhacken über der Schulter, kamen sie ein Stück des Weges hinauf und bogen in die Grabreihe ein, in der Noak lag. Raiker zählte fünf Figuren, die sich im fahlen Mondschein wie ein zusammenhängender Scherenschnitt ausmachten. Sie marschierten bis zu einer ungeöffneten Ruhestätte und begannen zu graben.
Die Leichenräuber, kein Zweifel.
Raiker packte den abgebrochenen Axtstiel in seinen Händen so fest, dass das Holz zu knirschen begann. Heiße Wut pulsierte durch seine Adern. Was auch immer diese kranken Freeks mit den Toten anstellen mochten, gleich würden sie ihr blaues Wunder erleben.
»Achtung«, zischte er den Gefährten halblaut zu. »Es geht los!«
Ohne auf eine Bestätigung zu warten löste er sich aus der Deckung eines Grabsteins und lief tief nach vorn gebeugt los.
Die anderen folgten seinem Beispiel. Mit der Geschmeidigkeit, wie sie zwielichtigen Strolchen zueigen war, durchquerten sie die Grabreihen. Spatenstiche übertönten das leise Trappeln, das sich nicht immer vermeiden ließ.
Als die Leichendieben ihre Anwesenheit bemerkten, war es schon zu spät.
Ohne Vorwarnung fielen sie mit Prügeln und Schwertern über die elenden Kerle her. »Macht sie fertig!«, feuerte Raiker seine Freunde an. »Keine Gnade!«
Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, zog er den Axtstiel einem der Leichendiebe über den Hinterkopf. Der Kerl gab nur ein gequältes Stöhnen von sich und brach wie ein nasser Sack zusammen.
Raiker würdigte ihn keines weiteren Blickes, sondern wandte sich dem nächsten Gräber zu, der seinen Hieb allerdings parierte, indem er die Schaufel an beiden Enden packte und über den Kopf hielt.
Keine schlechte Reaktion, doch so schnell ließ sich der mit allen Wassern gewachsene Raiker nicht verblüffen.
Dank täglicher Raufereien mit betrunkenen Gästen waren seine Reflexe gut geschult.
Er nutzte den Rückprall des Axtstiels für einen kreisförmigen Abschwung, um dann blitzschnell von unten zuzustoßen. Direkt in die Magengrube seines Kontrahenten.
Schnaufend klappte sein Gegenüber mit dem Oberkörper nach vorn. Raiker nahm genau Maß und knallte ihm den Knüppel rechts und links um die Ohren.
Lautes Knacken ließ auf zwei zertrümmerte Jochbeine schließen.
Erst klapperte die Schaufel zu Boden, dann folgte das Häufchen Elend, das sie in, Händen gehalten hatte. Auch die übrigen Leichendiebe krümmten sich auf der Erde. Mit bloßen Armen schützten sie ihren Kopf, während die Schläge auf sie nieder prasselten. Wulfgar und die anderen ließen ihrer Empörung freien Lauf.
Wie im Rausch schlugen sie immer wieder auf ihre hilflosen Opfer ein.
»Aufhören!«, fuhr Raiker dazwischen.
»Sie sollen schließlich noch erzählen, was sie mit Jiina gemacht haben!«
Seine scharfen Worte sorgten tatsächlich für Einhalt. Niemand wollte es sich mit dem Wirt seiner Schänke verderben.
Auf Raikers Befehl hin wurden Fackeln und Zunder hervorgeholt. Mit Hilfe einer blanken Klinge schlug Wulf gar die Funken.
Gleich darauf verbreiteten vier Fackeln ein unruhig zuckendes Licht.
Die gelblichen Flammen beleuchteten blutüberströmte Gesichter. Zwei gehörten jungen Frauen, gerade dem Mädchenalter entwachsen. Eine von ihnen hatte zwei gebrochene Jochbeine. Ihre fein geschnittenen Gesichtszüge würden auf ewig entstellt sein.
Raiker spürte einen Kloß im Hals, wischte die aufsteigenden Schuldgefühle aber beiseite, bevor sie sich in ihm festsetzen konnten. Das hat sie sich selbst zuzuschreiben, hämmerte er sich ein.
Warum hat sie sich auch an den Gräbern zu schaffen gemacht?
Der gequälte Blick aus den mandelförmigen Augen ging ihm trotzdem durch Mark und Bein. »Was hattet ihr mit den geraubten Leichen vor?«, bellte er, um klarzustellen, wer hier die Schuldigen waren. »Und was ist mit unserer Freundin Jiina passiert?«
Die Jello zuckte unter den Worten zusammen, als hätte er mit der Peitsche nach ihr geschlagen. Zuerst brachte sie vor Angst keinen Ton hervor, aber als er den Axtstiel drohend hob, sprudelten es über ihre zersprungenen Lippen.
»Nicht mehr schlagen«, bettelte sie.
»Wir haben doch nur Befehle ausgeführt.« Die Worte waren kaum zu verstehen.
Wegen ihrer Gesichtsverletzungen, die
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