0523 - Julies schöne Zombie-Schwester
Hörer auf, atmete tief durch und wandte sich an das Ehepaar. »Auf der Brücke liegt ein Schwerverletzter. Haben Sie vielleicht ein paar Decken, die Sie mir geben können. Es ist verdammt kalt hier.«
»Klar.« Die Frau verschwand in einem Nebenzimmer. Ihr Mann kam mit einer Flasche Schnaps. »Er ist selbstgebrannt«, sagte er.
»Wollen Sie einen Schluck, Kommissar?«
»Danke…«
»Er tut aber gut.«
»Okay, aber nur einen.«
Will trank aus einem kleinen Becher. Das scharfe Zeug ätzte ihm fast das Zäpfchen in der Kehle weg, rann in den Magen und verbreitete dort eine angenehme Wärme, nachdem das erste Brennen vorbei war.
Dann bekam Will die Decken. Er klemmte sie unter den Arm und bedankte sich. Dann lief er wieder zurück. Sein Atem ging keuchend. Als helle Wolke stand er vor seinem Mund.
Die Winternacht war nicht klar. Vom Fluß her stiegen dünne Dunstschleier hoch und krochen an den Hängen der Berge entlang, wo der Wein wuchs, für den Rheinland-Pfalz berühmt war.
Stefan Klein lag noch immer so, wie Will ihn verlassen hatte. Nur etwas hatte sich verändert.
Er atmete nicht mehr!
Stefan Klein war tot…
***
Unfall? Mord? Will Mallmann konnte es nicht sagen. Er kniete vor dem Toten. In der Kehle spürte er den dicken Kloß, der vom Magen her hochgestiegen war.
Stefan Klein war einen sinnlosen Tod gestorben. Er hatte sich zu sehr in die Spur verbissen gehabt und nicht damit gerechnet, wie gefährlich und auch tödlich das Übersinnliche manchmal sein konnte.
Dafür hatte er mit dem Leben bezahlen müssen.
»Tut mir leid, Stefan!« flüsterte der Kommissar, als er über seine Augen wischte. »Das wollte ich nicht. Es ist furchtbar, aber ich konnte nichts tun.«
Er stand wieder auf und warf noch einen letzten Blick auf seinen guten Bekannten. Die Decken brauchte Stefan nicht mehr. Tote frieren nicht. Mit gesenktem Kopf und wesentlich langsamer als beim erstenmal ging der Kommissar den Weg wieder zurück. Sein Blick war ins Leere gerichtet. Trotz der Kälte spürte er Schweiß auf seinen Handflächen, und als er das Haus betrat, da sahen ihm die beiden älteren Leute an, daß etwas Schreckliches passiert sein mußte.
»Lebt er nicht mehr?« fragte die Frau.
»So ist es.«
Sie faßte sich an den Hals. »Wer hat ihn denn…?«
»Ein Unfall war es. Er ist mit dem Kopf gegen das steinerne Brückengeländer geschlagen.«
»Meine Güte, diese Brücke!« Sie schüttelte den Kopf. »Sie ist verflucht.«
»Wieso?«
»Ach, sei doch ruhig, Hilde. Ammenmärchen.«
»Nein, nein, nein, Franz, das sind keine Ammenmärchen. Zu oft schon ist auf oder an der Brücke ein Mensch gestorben.«
»Die haben sich zu Tode gerast.«
»Ja, stimmt. Aber du kennst auch die alten Geschichten.«
Franz winkte ab und ging in den Nebenraum, wo er sich ein Glas mit Schnaps füllte.
Will Mallmann telefonierte wieder mit der Polizei und forderte einen Leichenwagen an.
»Dann ist der Notarzt nicht mehr nötig?«
»Nein, zum Teufel!«
»Schon gut, Kommissar, schon gut. Es wird ja alles so erledigt, wie Sie es haben wollen.«
Will Mallmann legte auf und wandte sich an die Frau, die Hilde mit Vornamen hieß. »Was sagten Sie zu diesen ungewöhnlichen Unfällen?«
»Die Brücke ist ein Gefahrenpunkt, Herr Kommissar.«
»Das sieht man. Nur sprachen Sie davon, daß sie verflucht wäre.«
»Eine alte Legende.«
»Dafür interessiere ich mich.«
Sie winkte mit beiden Händen ab. »Die Geschichte liegt schon einige hundert Jahre zurück, als es noch darum ging, die Hexen zu verbrennen. Auch bei uns hat es diesen Hexenglauben gegeben. Da war ein Mädchen namens Janine. Die Kleine ist von Frankreich her übergekommen, erzählt man. Sie wollte hier arbeiten, doch die Weinbauern sahen in ihr eine Hexe.«
»Was hat man daraufhin mit ihr gemacht?«
»Die Hexenprobe. Sie wurde auf ein Brett gebunden und in den Fluß geworfen, der im Winter immer viel Wasser führt. Das geschah genau an der Brücke. Janine ist natürlich ertrunken, aber ihr Geist findet seither keine Ruhe, so heißt es. Hin und wieder erscheint er in finsteren Nächten auf der Brücke, um Autofahrer zu erschrecken.«
»Ist diese Janine in den Geschichten auch beschrieben worden?«
»So einigermaßen.«
Will schaute in das noch vom Schlaf gerötete Gesicht der Frau.
»Ist ihr Rücken vielleicht tätowiert?«
Hilde bekam große Augen. »Woher… woher wissen Sie das, Herr Kommissar?«
»Dann stimmt es also?«
»Ja, das erzählen sich Zeugen, die das
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