0528 - Auftritt eines Toten
beiden Betrachtern wirbelte der Schnee.
Flocken ohne Ende, wie Stiche gezeichnet, gefrorener Regen, gegen Gesichter sprühend und auf Wege fallend, um den weißen Teppich noch mehr zu verstärken.
Das bleiche Schreckgespenst bewegte sich nicht. Es wirkte so, als könnte es selbst vom stärksten Sturm nicht umgestoßen werden.
Kein Zittern, auch kein Angriff, nur das unbewegliche Stehen und das scharfe Beobachten durch die Glotzaugen.
Marcel Wächter schaute direkt auf ihn. Die Szene in der Schloßhalle fiel ihm wieder ein. Er sah sich mit Arlette am Tisch sitzen und den Zombie kommen, der die tote Simone hinter sich hergeschleift hatte.
Ein furchtbares Erlebnis…
Auch sie sollten sterben.
»Wir müssen vorbei!« Er hörte Arlettes zitternde Stimme. »Wir müssen es einfach schaffen.« Sie stand hinter ihm und hatte ihre Hände auf seine Schultern gelegt.
»Ja, natürlich.« Er redete wie ein Automat und hörte schon die nächste Frage.
»Wo hast du dein Messer?«
Wächter schrak nach diesen Worten zusammen. Daran hatte er nicht mehr gedacht. Der Anblick des Zombies hatte ihn von allen anderen Dingen zu sehr abgelenkt.
Die Waffe steckte so in seinem Hosengürtel, daß sie ihn nicht verletzen konnte. Arlette hatte es nicht anders haben wollen. Jetzt aber brauchte er sie.
Wächter zog das Messer hervor. Die Klinge sah aus wie leicht abgestumpftes Blei.
Der Zombie mußte die Bewegung gesehen haben, reagierte aber nicht. Das Messer schien für ihn überhaupt nicht vorhanden zu sein.
Starr glotzte er Marcel an.
»Der weiß nicht, was ihm bevorsteht«, flüsterte Arlette. »Der weiß gar nichts.«
»Haben Zombies vor einem Messer Angst?«
»Keine Ahnung. Du solltest es versuchen.«
»Ja, verdammt.«
Noch standen beide auf dem Flur. Der Schnee trieb von vorn gegen sie. Marcel reagierte wie ein automatischer Mensch, setzte den rechten Fuß vor, überschritt die Schwelle, fand sich in dem Schneewirbel wieder und richtete die Waffe auf den Zombie.
Der mußte es einfach sehen! Jetzt wäre für ihn noch Zeit gewesen, den Weg frei zu machen.
Er blieb stehen.
Angst vor dem Messer kannte er nicht. Er war kein Mensch, und daran dachte auch Marcel.
Die Brust des Untoten lag deckungslos vor ihm. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, die Klinge hineinzustoßen, doch er merkte, als er die Klinge nach vorn drückte, daß sich in ihm so etwas wie Hemmungen aufbauten. Er änderte die Richtung, die Klinge bewegte sich nicht auf die Brust des Zombies zu, sie fuhr gegen die Schulter – und hinein!
Marcel erlebte, wie leicht es war, das Messer in die seelenlose Hülle zu stoßen. Er hörte hinter sich Arlette scharf atmen und auch leise wimmern.
Der Zombie stand und blieb auch stehen. Trotz des in seiner Schulter steckenden Messers.
Er spürte keine Schmerzen. Nach wie vor glotzte er Marcel Wächter aus seinen starren Pupillen an.
Sekunden dehnten sich für beide Menschen zu kleinen Ewigkeiten. Sie wußten nicht, was sie unternehmen sollten, bis sich Wächter plötzlich vorwarf.
Fast wäre er noch ausgerutscht. Er mußte die Arme vorschnellen lassen, um einen Erfolg zu erreichen.
Beide Handflächen stemmte er gegen die Brust des Untoten.
Diesem Druck hielt der Zombie nicht stand. Er kippte um und fiel auf den Rücken. Schnee stob hoch.
Marcel wußte selbst nicht, woher er den Mut nahm, sich zu bücken und die Klinge aus der Schulter zu ziehen. Er drehte dabei den Kopf und sah Arlette noch auf der Schwelle stehen.
»Komm endlich!« schrie er. »Komm – ich… ich bitte dich!«
Sie lief vor, als wäre sie aus einem tiefen Traum erwacht. Wächter war schon zurückgetreten, er wollte auf sie warten und sah nicht, daß sich der Zombie bewegte.
Sogar den rechten Arm bewegte er, wo sich in der Schulter die tiefe, blutlose Wunde befand.
Die Finger packten zu.
Arlette geriet ins Wanken. Ihren rechten Fußknöchel umspannte plötzlich eine Klammer, die aus mehreren harten Gliedern bestand.
In den Fingern des Zombies steckte die Kraft der Hölle, und er riß die Farbige brutal von den Beinen.
Arlette hatte Glück im Unglück. Der hohe Schnee dämpfte ihren Aufprall. Sie sank zwar ein und die weiße Masse erstickte auch ihren Schrei, aber frei kam sie nicht.
Schreckensbleich hatte Marcel mit ansehen müssen, was geschehen war. Es war ihm nicht gelungen, einzugreifen, und er sah, wie sich Arlette aufrichten wollte.
Sie kam nur halb hoch. Dann riß der Zombie noch einmal an ihrem Bein und schleuderte sie wieder
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