0528 - Der blaue Tod
wie eine Halbkugel überspannte, einzurichten war…
»Ich frage mich, warum der Blaue dem Kind nichts getan hat«, überlegte Zamorra.
»Hättest du’s gern anders?« entfuhr es ihr wild. Im nächsten Moment biß sie sich auf die Unterlippe. »Entschuldige. So meinte ich es nicht. Aber ich habe Angst um Rhett. Ich dachte, er bringt ihn um, und ich war nicht in der Lage, etwas zu tun. Ich bin einfach durch ihn hindurchgefallen… Und dann kam dieses teuflische Kribbeln, das zuerst gar nicht aufhören wollte. Erst als er verschwand, ließ es nach.«
»Erzähl mir mehr darüber«, bat Zamorra. »Erzähl mir alles. Jedes Detail kann wichtig sein. Ich muß wissen, mit wem ich es zu tun habe. Nur dann kann ich ihn erfolgreich von hier fernhalten. Belastet dich die Erinnerung?«
»Natürlich belastet sie mich«, gab sie zurück. »Aber es muß wohl sein. Vielleicht komme ich auch besser darüber hinweg, wenn ich rede und du mir dabei hilfst.«
»Selbstverständlich.«
Er hörte ihr zu, aber es half ihm nicht sehr viel weiter. Daß sie gesehen hatte, wie diese Kreatur von innen aussah, deutete zwar auf materielle Konsistenz hin, aber es gab keine Hinweise darauf, wer oder was der Blaue wirklich war. Ein Mensch? Oder ein nichtmenschliches Wesen, das nur humanoide Gestalt angenommen hatte? Wenn er ein Mensch war, warum trat er dann in dieser Art auf, und wie hatte er seine ungewöhnlichen Para-Fähigkeiten erworben?
Nichts als Rätsel…
»Du kommst nicht weiter, nicht wahr?« erriet Patricia. »Ich war dir keine Hilfe.«
»Das läßt sich so nicht sagen«, wich er aus. »Ich muß das erst mit den anderen Informationen in Einklang bringen. Habe ich dir schon gezeigt, wie dein Bild jetzt aussieht?« Er hatte es bisher mit dem Bildrücken nach oben auf den Tisch gelegt, drehte es jetzt um. Patricias Augen wurden groß. Sie trat näher heran; ihre Finger glitten über die Farben, die inzwischen trocken genug waren, um nicht mehr verwischen zu können - ansonsten hätte Zamorra es ja auch nicht mit der Farbseite nach unten abgelegt. »So habe ich ihn gesehen«, sagte sie. »So wollte ich ihn malen. Wie ist das möglich?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Zamorra. »Ich weiß auch nicht, wie es möglich ist, daß unter seiner Figur, also unter der Farbe, die ihn darstellt, ein detaillierter Hintergrund zu sehen ist. Ich hab’s dir noch nicht gesagt: Der Blaue, der durch das Château geisterte, ist nach meiner ersten Beschwörung diesem Bild entstiegen. Und dahinter war danach ein perfekter Hintergrund zu sehen.«
»Aber den habe ich nicht gemalt!« protestierte Patricia. »Ich habe zuerst die Personen konturiert, dann den Hintergrund entworfen und ausgemalt und schließlich den Personen Farbe gegeben. Zuletzt dem Blauen. Aber… ich habe unter ihm keine Farbe aufgetragen. Ich habe nur um die Konturen gemalt. Hier, du kannst es sehen.« Sie deutete auf eine der anderen Personen. »Ist ein Fehler, weil es meistens ganz dünne Ränder gibt, aber ich habe nicht die Geduld, so lange zu warten, bis die Farbschichten trocken sind, um dann Personen über den Hintergrund zu malen. Ich male sie direkt in den Hintergrund, ich will sofort die ganze Bildkomposition sehen.«
Zamorra sah sie nachdenklich an. »Patricia, bist du sicher, daß du diese blaue Figur überhaupt gemalt hast? Vielleicht haben wir alle sie uns nur eingebildet. Du glaubst, sie gemalt zu haben, und wir anderen glauben, sie als von dir dorthin gemalt zu sehen! In Wirklichkeit ist da gar nichts. Nur eine magisch erzeugte Überdeckung…«
Sie schüttelte den Kopf.
»Da, Zamorra! Schau dir meine Farbtuben an! Ich habe einen ganz neuen Satz benutzt. Ich konnte sie als Komplettsatz günstiger bekommen als die vielen einzelnen Ersatztuben, die ich ohnehin gebraucht hätte. Ich habe für dieses Bild ausschließlich mit den neuen Farben gearbeitet. Siehst du, was mit dem Blau ist? Ein Viertel des Tubeninhalts fehlt, und wenn du dir anschaust, was ich von diesem Grundton mit anderen Farben vermischt habe, um bestimmte Farbtöne zu erreichen, ist das nicht gerade viel. Aber sehr viel habe ich für diese Figur verbraucht!«
»Und du bist ganz sicher?«
Sie sah ihn an wie jemanden, der glaubt, nicht der Weihnachtsmann, sondern der Gerichtsvollzieher bringe die Geschenke. »Herr Professor! Für wie dumm hältst du mich?«
Er versuchte ein verunglücktes Grinsen. »Erstens verweigere ich die Aussage, zweitens erhebt mein Anwalt erfolgreich Einspruch gegen die Frage, so
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