0528 - Der blaue Tod
Zamorra, »oder, weniger sarkastisch vermutet, ist nach seiner Ansicht mein Problem, daß ich lebe. Das will er ändern, dieser freundliche Herr, der sich Tod nennen läßt. Allein seine Bemerkung von gestern, er sei der Ansicht gewesen, nicht blau, sondern Schädel zu sein…, das ist doch verrückt, Nici!«
»Er will etwas anderes«, vermutete sie. »Was dieses Problem angeht, so hast du ja wirklich eines. Es hört auf den zischenden Namen Ssacah.«
»Woher sollte er wissen, daß ich in Australien gebissen wurde? Nur, weil er der Tod ist?«
»Vielleicht sieht er es auf eine ganz andere Weise.«
»Dann brauchte er mich ja nicht eigens aufzufordern, ihm mein Problem zu nennen. Nun gut, diese Unterhaltung hat herzlich wenig gebracht. Also werde ich noch einmal versuchen, ihn hierher zu beschwören. Und diesmal landet er in der Falle. Die Vorbereitungen sind ja getroffen. Ich beschwöre ihn hierher zurück, und dann wird er antworten müssen .«
»Hoffentlich unterschätzt du ihn nicht«, warnte Nicole.
Die Armlähmung ließ nach; sie konnte ihre Hand wieder einigermaßen bewegen. Sie ging zum Baum, bog den Ast herunter, an dem der Blaster hing, und nahm die Waffe wieder an sich. »Sieh zu, daß du den Sigill-Schädel hinbekommst, und dann rufe den Burschen. Diesmal werde ich ihn mit dem Dhyarra-Kristall packen, und ich werde gleichzeitig auch auf ihn schießen, um ihn zu betäuben.« Sie schaltete die Waffe bereits von »Laser« auf »Betäubung« um. »Also ran an die Arbeit, Chef…«
Zamorra begann mit Entspannungsübungen, um ruhig zu werden. Dann konzentrierte er sich auf die Zauberformeln, mit denen er den Blauen ein weiteres Mal herzitieren wollte.
Aber diesmal funktionierte es nicht.
***
Zamorras Bemerkung, er sei verrückt, hatte den Auserwählten getroffen. Er war es nicht, auf keinen Fall, er war nicht verrückt! Er war ganz normal, er war nur sehr viel älter und besaß Fähigkeiten, die Zamorra vielleicht im Laufe seines Lebens noch erwerben konnte, wenn er sich entsprechend bemühte. Aber er war doch nicht verrückt!
Im Gegenteil. Er war klug. Deshalb hatte er auch so lange überleben können. Denn vom Wasser der Quelle des Lebens zu trinken garantierte allein noch keine Unsterblichkeit. Man mußte auch höllisch aufpassen, daß einem die Schwarzblütigen nicht ans Leben gingen. Aber sie hatten es schon vor langer Zeit aufgegeben, ihn anzugreifen. Sie wußten, daß er zu schlau für sie war. Deshalb ignorierten sie ihn einfach. Nicht nur das - sie wichen ihm aus. Sie riskierten es erst gar nicht mehr, in seine Nähe zu kommen. So war der ewige Kampf zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis für ihn mit der Zeit zum Stillstand gekommen. Er fand unter den Schwarzblütigen keine Gegner mehr, die er bekämpfen konnte. So hatte er seine Ziele im Laufe der Zeit neu definiert. Jetzt ging es ihm eher darum, Menschen zu helfen, als Dämonen zu bekämpfen, die ihm ohnehin auswichen, ehe er an sie herankam. Menschen gegenüber konnte er dagegen seine Para-Fähigkeiten anwenden und ihnen helfen. Mehr wollte er längst nicht mehr, hatte darin seine Lebensaufgabe gefunden. Deshalb bestürzte es ihn so sehr, daß ausgerechnet ein anderer Auserwählter nicht nur seine Hilfe nicht annehmen wollte, sondern ihn auch noch für verrückt hielt. Dieser Zamorra mußte unter Verfolgungswahn leiden. Wieso kam er auf die Idee, er wolle ihn töten? Er wollte ihn nur von seinem Problem befreien, mehr nicht. Zamorra dagegen wollte ihn bekämpfen. Nur deshalb versuchte er es mit den Beschwörungen; er wollte ihn in eine Falle locken, um den Wehrlosen dann vernichten zu können.
Aber das sollte ihm nicht so einfach gelingen. Er hatte sich die Beschwörungszeichen eingeprägt. So konnte er sich darauf einstellen und die Energie an sich abgleiten lassen. Gestern hatte Zamorra ihn mit seiner Magie bezwungen. Heute würde ihm das nicht wieder gelingen…
Darum änderte er seine eigene magische Struktur ein wenig ab, so daß sie von der Beschwörung nicht mehr erfaßt werden konnte. Wenn Zamorra ihn so zwingen wollte, mußte er sich schon etwas anderes ausdenken…
***
Nach dem dritten Versuch gab Zamorra es widerwillig auf. »Etwas stimmt nicht«, sagte er. »Der Bursche versucht mich an der Nase herumzuführen. Er reagiert einfach nicht auf den Zwang. Gerade so, als wäre er nicht mehr er selbst. Als hätte er sich so grundlegend verändert, daß…«
»Ja?« hakte Nicole nach, als Zamorra verstummte.
Er
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