0529 - Der Dschinn
ohne zu wissen, was mit meinen Kindern los ist…«
»All right«, stoppte Patricia sie. »Dann wünsche ich mir jetzt, daß das hier alles rückgängig gemacht wird… und zwar sofort!«
Das letzte Wort sprach sie bereits im Château Montagne.
***
Zamorra fuhr wieder zum Château zurück. Er fuhr den Wagen in die Garage und betrat den Gebäudekomplex. Er fand Raffael mit einer seiner üblichen Aufgaben beschäftigt. »Ich muß mit Ihnen reden«, verlangte er.
»Natürlich, Monsieur«, sagte der alte Mann, der sofort seine Tätigkeit unterbrochen hatte, um zur Verfügung zu stehen.
»Über den gestrigen Tag«, sagte Zamorra. »Es muß etwas geschehen sein, an das wir alle keine bewußte Erinnerung mehr haben.«
»Verzeihen Sie, Monsieur, wenn ich eine Anmerkung dazu mache: Aber wenn uns allen die Erinnerung daran fehlt, dürfte ein Gespräch über jenes ominöse Geschehnis relativ sinnlos sein. Man kann sich nicht über Nichts unterhalten.«
»Oh, Politiker und Talk-Show-Moderatoren schaffen das sieben Tage die Woche rund um die Uhr«, erwiderte Zamorra. »Aber um auf uns einfache Menschen zurückzukommen: vielleicht ließe sich die Erinnerung unter Hypnose zurückholen. Dazu brauche ich aber Ihr Einverständnis.«
»Sie wissen, daß ich in jeder Hinsicht und ständig zu Ihrer Verfügung stehe«, versicherte Raffael.
»Darf ich mir allerdings die Frage erlauben, weshalb Sie meiner Person eine solche Bedeutung zumessen? Vielleicht, weil ich bei jenem Geschehen anwesend war?«
Zamorra nickte. »Es scheint zumindest so.«
»Dann helfe ich erst recht gern. Ich habe gegen eine Hypnose keinerlei Einwände, Monsieur.«
Zamorra sah Raffael nachdenklich an. Tief in seinem Inneren war etwas, das behauptete, Raffael habe sich gestern wesentlich respektloser verhalten. Er habe sogar versucht, Befehle zu erteilen.
»Also gut. Fangen wir an. Welchen Ort schlagen Sie vor, Raffael? Ihr Ruhezimmer?«
»Vielleicht wäre es angebrachter, das ›Zauberzimmer‹ zu nehmen«, gab Raffael zu bedenken. »Aus Ihrem Tonfall ersehe ich, daß es um etwas sehr Wichtiges und vielleicht Unberechenbares geht.«
»Wenn Sie meinen…obgleich ich mir nicht vorstellen kann, daß etwas Unberechenbares sich hier einnistet. Nun gut, probieren wir's aus. Haben Sie Zeit?«
»Natürlich!« versicherte Raffael energisch. »Es ist mein Beruf, Zeit für Sie zu haben!«
Gestern hatte das alles noch ganz anders geklungen!
Aber wieso? durchzuckte es Zamorra. Wieso tauchen diese Hinweise in meiner Erinnerung auf, aber nichts, was ich ernsthaft verwerten könnte?
Du wirst es ausprobieren müssen, um es zu erfahren , antwortete ihm sein Amulett ungefragt.
***
Eine alte Couch befand sich in einem der hintersten Winkel des »Zauberzimmers«. Zamorra, der bisher hier noch keine Hypnose-Sitzungen durchgeführt hatte, hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen können, daß das Sofa auch noch zu etwas anderem gut sein könnte als zum Daraufsitzen und entspannt nachdenken. Entspannter und bequemer jedenfalls als auf den einfachen Holzstühlen.
Einen der beiden Holzstühle schleppte er jetzt zur Couch, auf die Raffael sich zu legen hatte.
»Öffnen Sie Ihre mentale Sperre«, verlangte Zamorra. Ohne ein solches Öffnen war es ihm unmöglich, Einfluß auf Raffael zu nehmen und ihn in hypnotische Trance versetzen zu können, ebenso, wie es unmöglich war, seine Gedanken zu lesen.
»Ich bin bereit, Professor«, sagte Raffael. »Und ich bin gespannt darauf, was Sie aus mir herausholen. Ich bekomme selbst vermutlich nichts davon mit?«
»Ich werde so mit Ihnen arbeiten, daß Sie es mitbekommen. Dann brauche ich Ihnen hinterher nicht alles noch einmal zu erzählen.«
Raffael nickte. Zamorra staunte ein wenig, wie rasch der alte Mann sich entspannen konnte. Er hypnotisierte ihn und begann ihn allmählich zurückzuführen. Schritt um Schritt in die Vergangenheit, Minute um Minute, Stunde um Stunde. Schnell zunächst, dann langsamer, bis die kritischen Augenblicke erreicht waren. Immerhin ließ sich der Zeitpunkt relativ gut lokalisieren, an dem das Erinnerungsvermögen der Château-Bewohner und der Kneipeninsassen auseinanderdriftete.
Zamorra brachte Raffael direkt an den Punkt seiner Rückkehr aus Feurs. »Sie sind unterwegs, Raffael«, sagte er langsam und mit eindringlicher Ruhe. »Sie sitzen am Lenkrad des BMW. Sie haben die Einkäufe erledigt. Sie haben jetzt das Dorf erreicht. Sehen Sie die Abzweigung, die zum Château hinauf
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