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0529 - Der Dschinn

0529 - Der Dschinn

Titel: 0529 - Der Dschinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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daß ein Dschinn seine Flasche nicht mehr verlassen konnte, wenn man sie von außen verschloß? Und daß er erst wieder heraus konnte, wenn dieser Korken von außen herausgezogen wurde?
    Raffael hatte gestern den Korken gelöst. Er hatte ihn im »Zauberzimmer« beiseitegeworfen und danach nicht mehr an ihn gedacht - oder vielleicht nicht mehr denken dürfen? Wenn es stimmte, was der Professor behauptete, dann hatte der Dschinn dadurch, daß er Raffael unter seine geistige Kontrolle brachte, ein Verbrechen begangen! Freundlich gesonnen konnte ihm der alte Diener deshalb nicht sein. Um so leichter würde es ihm fallen, dem Dschinn die symbolischen Daumenschrauben anzusetzen.
    Wahrscheinlich hatte sich niemand mehr um den Korken gekümmert. Es hatte andere Probleme gegeben. Aber Rafffael wußte, wo das Ding lag. Mit diesem Korken wollte er den Dschinn zwingen, seine Geiseln wieder freizulassen. Wenn der Flaschengeist sie weiter gefangenhalten wollte, würde er selbst wieder ein Gefangener sein. Dadurch kamen Zamorra und Nicole zwar nicht wieder in Freiheit, aber der Dschinn saß dann, mit seinen Geiseln, ebenfalls unentrinnbar fest.
    Daran konnte ihm ganz sicher nicht gelegen sein.
    Also eilte Raffael in Richtung »Zauberzimmer«, um den Korken zu holen. Auf dem Gang begegnete er William. Aber er wollte sich jetzt nicht ablenken lassen und eilte mit einem knappen Nicken an ihm vorbei. Vielleicht ging es um Sekunden… falls der Dschinn Anstalten machte, schon wieder aktiv zu werden und die Flasche unter Zurücklassung seiner Gefangenen zu verlassen, ehe Raffael ihn daran hindern konnte.
    ***
    Nicole hatte sich inzwischen weiter umgesehen. Mit den Fingerspitzen berührte sie die Bilder und wunderte sich, dabei auf Widerstand zu treffen. Sollte nicht jedes dieser Bilder ein Tor in einen anderen Teil der Welt sein? Wenn, dann waren diese Tore aber jetzt geschlossen!
    Während Zamorra und Hadschi Achmed sich unterhielten, fand sie den Innenraum dieser Flasche von Minute zu Minute ungemütlicher und hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn die Unterhaltung außerhalb, im Kaminzimmer der realen Welt, fortgesetzt worden wäre. Es fehlte an Blumen, überhaupt an Pflanzen, die den Raum etwas wohnlicher gemacht hätten, und es fehlte überhaupt an vielen Dingen. Es gab keine Toilette, kein Bad, keine Küche… aber vermutlich benötigte ein Dschinn so etwas nicht. Als Geist war er über derlei profane menschliche Bedürfnisse sicher erhaben. Nur - wozu brauchte er dann eine Teekanne und eine Wasserpfeife?
    Als eine Gesprächspause eintrat, wollte sie ihn danach fragen.
    Aber sie kam nicht dazu.
    Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch die Flasche. Sie wurde herumgeschleudert - als sei sie ein Schiff bei hohem Seegang, mitten in einer Sturmflut, einem Tsunami. Zamorra und Nicole flogen durch den Raum. Der Professor schlug mit dem Hinterkopf gegen die Wand und sank reglos zusammen. Nicole konnte sich gerade noch abfangen. Als die Flasche erneut kippte, flog sie direkt auf den Flaschengeist zu - und durch ihn hindurch!
    »Himmel, nein…«
    Da schrie auch der Dschinn auf. »Bei Allah! Wir - wir sind - gefangen…!«
    ***
    Butler William schaute routinemäßig mal wieder nach dem Rechten. Es gehörte zu seinen Angewohnten, sich weitmöglichst präsent zu halten. In Llewellyn-Castle war das seinerzeit nicht so unbedingt nötig gewesen, weil Lord Saris seinen Butler rief, wenn er ihn brauchte, und das war eigentlich relativ selten. Aber im Château Montagne sah das etwas anders aus; jahrelang hatte Raffael Bois mit seiner unaufdringlichen Allgegenwart seine Herrschaft gewissermaßen verwöhnt. So hatte William sich notgedrungen angepaßt.
    Jetzt wunderte er sich, seinen Senior-Kollegen Bois aus dem Kaminzimmer treten zu sehen. Hatte der sich nicht in seinen Zimmern eingeigelt, weil er unbedingt in Ruhe gelassen werden wollte? Es hatte natürlich nicht ausbleiben können, daß William den Ärger mitbekam, den der alte Mann dem Professor offenbar neuerdings machte.
    Und jetzt war Raffael wieder im Dienst?
    Knapp nickte dieser ihm zu und war so schnell entschwunden, daß William nicht einmal Gelegenheit hatte, ihn anzusprechen. Kopfschüttelnd sah der Schotte hinter ihm her. War Raffael nicht unterwegs in Richtung »Zauberzimmer«?
    William verzichtete darauf, ihm zu folgen. Er klopfte am Kaminzimmer an und öffnete dann bedächtig die Tür. Das Zimmer war leer. Aber das Kaminfeuer flackerte, Wein und Gläser standen bereit - und

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