053 - Der Brigant
denke dir, Yarrow hat überhaupt keine Kunden. Er bucht nur zum Schein, wenn ich nicht im Büro bin. Die ganze Sache ist furchtbar einfach. Sobald ich nur den Rücken drehe, telefoniert ein gewisser Bertie Feener und setzt auf ein Pferd, das später todsicher gewinnt. Dadurch verliere ich dann einige hundert Pfund. Und wenn meine Einlage erschöpft ist, wird er sich ja einen anderen Teilhaber suchen.«
»Wer ist denn eigentlich Bertie Feener?«
»Es gibt überhaupt keinen Bertie Feener. Als Mr. Yarrow diese nette Unterhaltung darüber hatte, daß sein Freund auf den ›Black Emperor‹ setzte, habe ich genau gesehen, daß er mit seinem Finger den Haken herunterdrückte. Das eine Gespräch hatte er längst beendet.«
Am nächsten Nachmittag ging Anthony zu Yarrows größtem Erstaunen wieder zum Tee, obwohl es ein großer Renntag war. Aber bevor er das Büro verließ, stellte er noch eine wichtige Frage.
»Haben Sie eigentlich eine Begrenzung Ihrer Wettsummen mit Mr. Feener verabredet?«
»Nein«, entgegnete Mr. Yarrow lächelnd. »Das wäre nicht ratsam, wenn wir so tief in seiner Schuld stecken. Ich bin der Ansicht, man soll ihm nur genügend Spielraum lassen, dann wird er sich schon einmal selbst hereinlegen.«
Als Anthony zurückkehrte, hatte ihm Mr. Yarrow wieder eine sehr traurige Geschichte zu erzählen. Er ging unter den Zeichen sichtlich größter Erregung im Büro auf und ab.
»Dieser verdammte, niederträchtige Kerl!« stöhnte er. »Ich wünschte, ich hätte mich niemals mit ihm eingelassen.«
»Was - ist es wieder mit Bertie Feener?« fragte Anthony unschuldig. »Was hat er denn schon wieder gemacht?«
»Hat der Mensch doch gerade wieder zweihundert gewettet und ist mit 4:1 herausgekommen. Kaum waren Sie die Treppe hinunter, als er anrief. Zuerst wollte ich seine Wette nicht annehmen, aber schließlich war ich doch wieder dumm genug und habe seine Buchung angenommen.«
»Dann haben wir also achthundert Pfund verloren?« fragte Anthony nachdenklich.
Mr. Yarrow nickte.
»Sie haben verdammt wenig Glück, mein Junge. So etwas ist früher noch nie im Geschäft passiert. Wir haben doch diese Woche faktisch mehr als tausend Pfund verloren.«
»Ja, damit müssen wir uns eben abfinden«, entgegnete Anthony gelassen. »Gehen Sie jetzt zum Tee, Mr. Yarrow. Ich werde inzwischen den Scheck für Mr. Feener ausschreiben. Sie können mir ja seine Adresse geben, wenn Sie zurückkommen.«
Mr. Yarrow machte sich vergnügt auf den Weg. Das letzte Rennen war vorüber, und das Resultat war schon zwanzig Minuten durchgegeben, bevor er zurückkehrte.
»Nun, ist irgend etwas passiert?« fragte er, als er seinen Hut anhängte.
»Ja. Bertie Feener hat angeläutet und wettete zwölfhundert Pfund auf ›Blue Diamond‹. Er hat verloren. Ich gratuliere Ihnen.«
Mr. Yarrow sah ihn mit offenem Mund an.
»Was hat Bertie Feener gemacht?« fragte er dumm. Er schien seinen Ohren nicht trauen zu wollen.
»Er hat zwölfhundert Pfund auf ›Blue Diamond‹ gesetzt. Der Gaul gewann aber nicht«, erwiderte Anthony zuversichtlich und froh. »Er hat gerade in dem Augenblick angerufen, als Sie die Treppe hinuntergingen, ich zögerte schon und wollte ihn ablehnen, aber dann besann ich mich, daß Sie ihm bei seinen Wetten keine Grenzen gesetzt haben, und dachte, man sollte es ruhig riskieren. Wir sind nun mit ihm quitt, Yarrow.«
Er reichte seinem Partner die Hand, aber der nahm sie nicht.
»Aber Mr. Feener ist doch aufs Land gefahren - er wollte doch mit dem Vieruhrzug reisen. Er hat es mir gesagt, als ich ihn heute nachmittag am Telefon sprach.«
»Das stimmt auch - er hat nämlich vom Bahnhof aus angerufen«, entgegnete Anthony ruhig.
Mr. Yarrows Gesicht verfärbte sich. »Nun, dann ist es ja gut.«
»Aber ich glaube, es wäre besser, wir lassen uns nicht mehr auf telefonische Wetteinlagen ein. Es ist viel vernünftiger, wenn Ihre Kunden telegrafieren.«
»Damit bin ich auch einverstanden«, sagte Mr. Yarrow kurz.
»Es war aber doch wirklich ausgezeichnet, daß ich hier war, als Bertie anrief. Ich nenne ihn jetzt nur noch mit dem Vornamen, ich denke, er wird mir deswegen nicht böse sein.«
Mr. Yarrow saß an seinem Tisch und wagte nicht aufzuschauen.
»Wenn Sie hiergewesen wären, hätten Sie wahrscheinlich gezögert, eine so große Wette anzunehmen. Glücklicherweise können wir die Woche nun ohne Verluste beschließen.«
»Ich verstehe aber nicht recht, wie wir unser ganzes Geschäft nur telegrafisch abmachen
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