053 - Der Brigant
habe ihn durchschaut. Ein Mann ist meistens sehr offen einer jungen Dame gegenüber, die er zum Souper einlädt. Aber ich liebe das nicht, und die Soupers bei Cavólo sind mir besonders unsympathisch, weil dort der Kellner immer erst diskret anklopft, bevor er eintritt.«
»Aber was in aller Welt ist er denn?« fragte Anthony aufs höchste erstaunt.
»Ich möchte es Ihnen nicht erzählen«, entgegnete Agnes zurückhaltend. »Aber wenn Sie mich fragen, was er für einen Beruf hat, so bin ich gerne dazu bereit. Er hat neben seinem Schlafzimmer noch ein größeres Wohnzimmer im Hotel - dort gibt er seine Gesellschaften. Er kann Baccarat besser spielen als die meisten anderen Leute. Deswegen mußte er ja auch schon das Rex-Hotel verlassen - der Geschäftsführer sagte, man habe sich darüber beschwert, daß seine Gäste so furchtbar fluchten und schimpften, wenn sie morgens um zwei Uhr von ihm weggingen. Ich habe den Brief selbst gesehen, den er vom Hotel bekam. Sie glauben vielleicht, daß es nicht richtig von mir sei, über meinen früheren Chef zu sprechen, aber auf gewisse Menschen braucht man keine Rücksicht zu nehmen, und Antonio Anquilina gehört zu diesen.«
Anthony schaute nachdenklich auf seinen Schreibtisch.
»Also ist er ein Verbrecher?«
»Das weiß ich nicht. Leute, die ihren Lebensunterhalt durch ihren Witz und ihre Pfiffigkeit erwerben, können eigentlich nicht ehrlich sein, denn ehrliche Verstandesarbeit führt zu einem ehrlichen Geschäft.«
Anthony nickte ernst.
»Ich danke Ihnen, Agnes.«
»Ich heiße Portland, und ich möchte auch so angeredet werden.«
Am selben Abend hörte Anthony von dem Minnow-Klub. Er war weniger bekannt, als man hätte annehmen sollen. Seine Mitgliederzahl war beschränkt, und seine finanziellen Hilfsquellen waren gering. Ursprünglich war er gegründet worden als ein Klub für die Geschäftsführer der großen Modehäuser im Westen Londons.
Allmählich kam er aber herunter, und es gehörten schließlich nur noch gewöhnliche Leute mit kleinem Einkommen dazu. Der Krieg war auch hieran schuld; ein großes Modegeschäft nach dem anderen hatte den Konkurs erklären müssen, und einige der bedeutendsten Leute waren zu Gefängnis verurteilt worden. So war der Klub nach und nach entartet.
Der letzte Eigentümer, Felix Sandyman, kaufte das Unternehmen für die Summe von siebenhundert Pfund. Davon zahlte er hundert Pfund bei Zeichnung des Vertrages, den Rest in monatlichen Raten von fünfzig Pfund und erhielt dafür alles Inventar, das der Verkäufer fein säuberlich in eine Liste eingetragen hatte, einen ziemlich wertlosen Vorrat an Konserven und die Einrichtung des Billardzimmers; außerdem übernahm er einen französischen Küchenchef mit Namen Youngarry.
Anthony Newton traf Felix Sandyman zufällig an diesem Abend. Sie tranken zusammen, und Felix, der ernst veranlagt war und wenig Sinn für Humor hatte, schlug Anthony vor, Mitglied des Klubs zu werden.
»Nein, danke, das möchte ich nicht tun«, entgegnete Anthony.
Felix seufzte.
»Ich habe den Klub von einem gewissen Aronsohn gekauft, der ihn für eine faule Schuld übernommen hatte. Ich wünschte nur, daß die Leute ihre Schulden bezahlten, dann hätte ich jetzt nicht diesen Minnow-Klub am Halse.«
»Geht das Geschäft denn nicht gut?« fragte Anthony interessiert.
Mr. Sandyman machte ein so verzweifeltes Gesicht, daß Anthony die Antwort daraus erraten konnte.
»Ich dachte auch schon daran, den Klub dem Südamerikaner anzubieten, von dem alle Leute hier in der Stadt sprechen.«
Anthony erhob sich halb vom Tisch und schaute ihn an.
»Ich meine einen gewissen Angelina ...«
»Anquilina«, verbesserte Anthony.
»Das ist er. Man sagt, daß er Häuser und Liegenschaften in London für einen Trust aufkauft, auch Theater und anderes.«
Anthony holte tief Atem.
»Ich werde Ihren Klub kaufen.« Es war ungewöhnlich, daß Anthony etwas kaufte, ohne vorher über den Preis zu feilschen.
Aber diesmal tat er es. Am nächsten Mittag war er schon Eigentümer des Minnow-Klubs. Er hatte alle die alten Stühle, den abgenutzten Billardtisch, die vielen eingerahmten Stoffbilder und das nicht mehr vollständige Geschirr gekauft.
Er hatte nun das Recht (das er aber nicht ausübte), den französischen Koch Youngarry zu entlassen und neue Kellner anzustellen. Statt dessen mietete er hübsche Möbel, anständige Bestecke und Geschirr, kaufte einen neuen Teppich für das Spielzimmer, ließ ein neues Schloß an der Tür
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