053 - Der Brigant
Kindes zu ruinieren. Komm mit, Eliza.«
Sie verließen beide das Zimmer, und Eliza war zuerst draußen.
Anthony brachte eine Stunde in einem öffentlichen Auskunftsbüro zu und ging anschließend noch zu einem wirklichen Rechtsanwalt, der noch niemals Liebesgeschichten und Romane geschrieben hatte. Anthony kannte ihn oberflächlich. Er war ein erfolgreicher und gesuchter Jurist, der so überlaufen war, daß man in seinem Büro kaum einen Stuhl finden konnte, der noch einen ganzen Sitz hatte. Auch der große Teppich auf dem Boden war schon sehr abgenutzt.
»Ich möchte Sie ersuchen, unverzüglich eine Klage gegen Miss Eliza Jibble, Clarence Palace Hotel, Regent's Park, zu erheben.«
»Warum wollen Sie sie denn verklagen?« fragte der geschäftige Anwalt, indem er die Adresse aufschrieb.
»Wegen Bruch des Heiratsversprechens«, erwiderte Anthony ruhig.
Der Rechtsanwalt zeigte nicht das mindeste Erstaunen.
»Meine Klage ist sehr dringend«, betont Anthony. »Wenn es nötig ist, will ich den ganzen Nachmittag in Ihrem Büro zubringen.«
»Das ist weder nötig noch erwünscht«, entgegnete ihm der Anwalt und klingelte seinem Schreiber.
Am nächsten Morgen um elf Uhr wurde Anthony von Mr. Tanker angerufen.
»Eben war ein Mann von der Rechtsanwaltsfirma Hall & Bennet hier.« Mr. Tankers Stimme zitterte ein wenig. »Er überreichte mir eine Vorladung unter Strafandrohung, weil ich Zeuge in einem Prozeß wegen Bruch des Heiratsversprechens sein soll. Was, zum Teufel, soll denn das heißen?«
Anthony war eiskalt.
»Sie sagten mir doch seinerzeit, daß Ihr Name vor Gericht nur genannt werden könnte, wenn eine Klage wegen Bruchs des Heiratsversprechens anhängig gemacht würde. Diese Klage habe ich jetzt eben erhoben.«
»Aber Sie werden doch mit dieser verdrehten Sache nicht weitergehen? Das ganze Gericht wird Sie ja auslachen!«
»Ich klage mindestens tausend Pfund Schadenersatz ein«, entgegnete Anthony entschieden. »Und wenn ich die tausend Pfund erst habe, können die Leute, die lachen wollen, ruhig lachen.«
»Sie sind verrückt«, schrie Mr. Tanker. »Es ist doch unerhört, eine junge Dame wegen Bruchs des Heiratsversprechens anzuzeigen! Nun seien Sie doch einmal vernünftig ...«
»Das bin ich immer gewesen. Wir jungen Leute müssen ein für allemal gegen die Anschläge dieser hinterlistigen Weibsbilder geschützt werden.«
Eine Pause trat ein.
»Wenn Sie hundert Pfund bekommen, ist die Sache doch wohl in Ordnung?« fragte Mr. Tanker nach einer Weile. »Hundert Pfund ist eine Menge Geld - eine Menge Geld.«
»Das stimmt, das stimmt«, sagte Anthony. »Aber es sind nicht tausend, nicht tausend.«
Drüben wurde der Hörer angehängt.
Später erschien Mrs. Jibble auf der Bildfläche. Sie war in einer Verfassung, die an Wahnsinn grenzte.
»Was soll denn das heißen, mein Herr?« fragte sie und hielt Anthony ein Schriftstück entgegen.
»Das heißt, daß Ihre Tochter mich entweder heiratet oder mir Entschädigung dafür zahlt, daß sie meine heiligsten Gefühle verletzt hat. Ich lasse nicht mit mir spielen. Miss Plum - Ihre Tochter hat mein Leben vergiftet! Ich bin fest entschlossen, sie für ihr schändliches Betragen zahlen zu lassen!«
»Aber mein Herr ...« Mrs. Jibble war den Tränen nahe, »wenn wir tausend Pfund zahlen sollen, sind wir ruiniert.« »Sie können doch Ihre vielen Diamanten verkaufen«, sagte Anthony mit unerschütterlicher Ruhe. »Sie haben ja genug. Als Ihr zukünftiger Schwiegersohn ...«
»Das werden Sie niemals werden«, schrie die Frau verzweifelt auf. »Ich würde lieber ... ich würde eher ...«
Die Unterredung endete sehr wenig zufriedenstellend für Mrs. Jibble.
Nachmittags um die Teezeit kam Mr. Tanker persönlich.
»Also sehen Sie, Mr. Newton, es hat doch gar keinen Zweck, daß wir vor Gericht gehen und uns streiten. Mrs. Jibble will nicht haben, daß Sie ihre Tochter heiraten. Sie ist bereit, Ihnen zweihundertfünfzig Pfund zu zahlen. Ich habe das Geld dabei.«
Er warf geräuschvoll ein Paket Banknoten auf den Tisch, und einen Augenblick lang war Anthony versucht, sie anzunehmen.
»O nein«, sagte er dann, »ich kann nicht meine heiligsten Gefühle für eine so schäbige Summe verkaufen. Das ist es ja, Mr. Tanker, ich habe Prinzipien.«
»Das ist ja alles gut und schön«, sagte Mr. Tanker unruhig.
»Aber wir wollen nicht über Nebensachen sprechen, sondern uns an die Hauptsachen halten. Hier sind zweihundertfünfzig Pfund.«
»Hebe dich weg von mir,
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