053 - Die Schlacht von El'ay
lachte. Mit einem Mal besaß er nicht nur das Gesicht von David McKenzie, sondern auch dessen lausbübische Mimik, die Matt seit ihrem ersten Zusammentreffen auf der Flugbasis in Berlin Köpenick kannte. Seine bange Frage, wer von den beiden Persönlichkeiten in Hollydays Gehirn die Oberhand gewonnen hatte, schien geklärt zu sein.
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte ihn McKenzie/Hollyday. »Mir geht es hier so gut wie lange nicht mehr.« Er rollte übertrieben mit den Augen und tippte dabei an seine Stirn. »Die verdammten Streitgespräche hier oben sind endlich verstummt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wohltuend diese Ruhe ist.«
»Das ist möglicherweise nur eine vorübergehende Besserung«, warnte Matt. »Es bedarf einer langfristigen Therapie…«
»Geschenkt«, unterbrach ihn McKenzie/Hollyday. »Meine Psychiaterin erzählt mir dasselbe. Du solltest sie dir mal ansehen. Tolle Kurven, fünfhundert Jahre Erfahrung und außerdem kann ich mit ihr über alte Zeiten plaudern. Mich bekommst du hier nicht weg. Und falls mir mal langweilig wird, spiele ich mit Harris Karten. Der freut sich bestimmt über etwas Gesellschaft in seiner Zelle.«
Matt legte die Stirn in Falten. »Du hast Mitleid mit einem WCA-Agenten?« Auch das war ein Indiz dafür, dass dieser Körper nun von McKenzies Identität beherrscht wurde.
McKenzie/Hollyday wurde wieder ernst. »Ach, das ist doch auch nur eine arme Sau, die Befehle ausführt, weil sie es nie anders gelernt hat.«
»Du kannst ja ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, bis Aruula und ich wieder zurück sind«, schlug Matt vor. »Irgendwas müssen wir uns mit dem Knaben einfallen lassen. Wir können ihn nicht ewig einsperren. Schon deshalb, weil er nur einen begrenzten Vorrat an Serum hat.«
Dieses Serum ermöglichte den Mitgliedern des Weltrats, die ja im Grunde Bunkermenschen ohne Immunsystem waren, erst ein Leben an der Oberfläche. Man hatte das Mittel vor dreißig Jahren aus den Genen zweier Klons gewonnen, deren Gewebeproben kurz nach der Katastrophe im Jahre 2012 eingefroren wurden. Einer davon war der frühere Präsident der Vereinigten Staaten gewesen. Sein Klon, Mr. Black, war mittlerweile der Anführer der Rebellengruppe der Running Men, die mit allen Mitteln gegen den Weltrat kämpfte. Eine Gruppe, der auch Phil Hollyday angehörte - beziehungsweise sein jetzt unterdrücktes Ich…
McKenzie/Hollyday presste seine Handflächen in einer betenden Geste gegeneinander.
»Überlass das ruhig dem neuen Dalai Lama von Amarillo. In spätesten zwei Wochen unterschreibt Harris sein Entlassungsgesuch.«
»Ich nehme dich beim Wort.« Matt tippte zum Abschied gegen eine imaginäre Dienstmütze und öffnete die Tür. Er war schon fast draußen, als er sich noch einmal umdrehte. »Ach ja - frohes neues Jahr! Heute ist der erste Januar.«
McKenzie/Hollyday nickte. »Dir auch. Hoffen wir, dass es 2518 etwas ruhiger für uns wird.«
Gleich nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, zerbröckelte seine fröhliche Fassade.
Darunter schälte sich der bittere Zug hervor, der sich an jenem Tag in Phillip Hollydays Gesicht gegraben hatte, als seine Familie unter den schweren Ketten eines Weltratpanzers zu Tode kam. »Verpiss dich bloß endlich, du Arschloch«, knurrte er leise. »Ich erledige inzwischen die Drecksarbeit.«
Mit einer lässigen Bewegung schaltete er den Computer wieder ein. Die zuletzt aufgerufene Datei erschien erneut auf dem Monitor. Es handelte sich um einen Grundriss des Medical Center. Mit schnellen Tastenschlägen wechselte Hollyday immer wieder den Bildausschnitt.
So lange, bis er endlich den Weg in die Freiheit gefunden hatte.
***
San Fernando Valley
Miki Takeo wirkte hinter dem Schreibtisch so unbeweglich wie ein Fels in der Brandung, doch die interne Kommunikation des Androiden klang nicht weniger chaotisch als die Zustände im Valley. Schon den ganzen Morgen über gingen Berichte über Menschen ein, die in Panik aus El'ay flüchteten. Er hatte daraufhin eine Einheit RoCops in Marsch gesetzt, um einer Bedrohung für seine Siedlung rechtzeitig entgegenzuwirken.
Die eingehenden Funkmeldungen zeichneten ein düsteres Bild. Takeo hörte sie alle mit, um bei einer Verschärfung der Lage sofort reagieren zu können.
»Patrol Five an Task Force Control. Befinden uns in Sektor 12/23. Weitere Flüchtlinge gesichtet. Die Berichte über eine Invasion der Toten häufen sich. Begeben uns in Sektor 12/21.«
Parallel zum Funkverkehr überwachte Takeo auch die
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