0530 - Der Magus von Zypern
fahren?« erkundigte sich Suko bei unserem Landsmann.
»Na hören Sie mal, Inspektor. Ich bin erst richtig in Form. Sie müßten mich mal erleben, wenn ich richtig zuschlage.«
»Normalerweise müßten sie dick sein wie ein Faß.«
Dorchester lachte. »Ich habe eben eine gute Verdauung, das ist alles, mein Freund.«
Für das, was wir gegessen und getrunken hatten, war der Preis nicht sehr hoch. Nun ja, wir befanden uns nicht in London, sondern auf der Insel Zypern.
Dora verabschiedete sich mit Umarmungen von uns. Line bekam wieder einen schmatzenden Kuß und verdrehte die Augen. Vor der Tür blieb Dora stehen und winkte uns nach.
Als wir hinter der nächsten Kurve verschwunden waren, atmete Dorchester auf. »Das hat gut getan. Man muß eben überall seine Freunde haben. Besonders hier.«
»Dora mag Sie?«
Dorchester lachte. »Und ob, Sinclair. Sie hat mich in ihr Herz geschlossen. Hin und wieder schleppt sie mich noch in ihr Zimmer. Dann geht es dort rund.«
»Aber Sie überstehen es, wie ich sehe.«
Er zwinkerte mir zu. »Was tut man nicht alles fürs Vaterland? Sie haben ja selbst gehört, Dora wußte Bescheid. Sie hat die Menschen erlebt, die zu den Türmen wollten, demnach ist unser Besuch ein voller Erfolg gewesen, nicht nur für unsere Mägen.« Er lachte und stieß noch einmal kräftig auf.
Minuten später mußten wir die Straße verlassen, und da verging uns das Lachen.
Die Wege wurden schlecht, die hoch in die Berge führten. Ich konnte Line Dorchester nur dazu gratulieren, daß er sich einen Geländewagen besorgt hatte.
Auf die Leute in den Steinbauten war ich sehr gespannt. Und natürlich auch auf Jane Collins.
Hoffentlich fanden wir sie auch dort…
***
Die Sonne ging auf!
Plötzlich war alles anders. Der Ball stand in einer hellen, weißen Farbe am Himmel und vertrieb die Schatten der Nacht.
Das Leben erwachte, ob Mensch oder Tier, die Kreatur fühlte sich doch einfach wohler, wenn die Sonne schien.
Bis auf eine Ausnahme.
Die hieß Jane Collins!
Die ehemalige Hexe hatte sich nach den Vorfällen der Nacht wieder in ihr Haus zurückgezogen und versucht, noch etwas zu schlafen, was ihr nicht gelang.
Zwar war sie einige Male weggesackt, aber sehr schnell wieder erwacht, zu einem erholsamen Schlaf war es bei ihr nicht gekommen. Zudem fühlte sie sich jetzt wie gerädert.
Sie wußte, was geschehen würde. Für fast alle Menschen war die Sonne der große Spender, der ihnen Energie und Lebenskraft gab.
Bei Jane verhielt es sich anders.
Der Fluch wirkte.
Sie spürte es genau, obwohl es innerhalb des kleinen Steinbaus noch relativ dunkel war und sie auch den schlichten Vorhang vor den Eingang gezogen hatte.
Jane Collins lag auf dem Lager, starrte gegen die Decke und wartete auf ihre Verwandlung.
Es begann mit einem scharfen Ziehen, als wären Hände dabei, ihr die Haut vom Gesicht zu reißen. Sie warf sich auf die Seite, dann wieder auf den Rücken, atmete heftig, und aus dem Ziehen wurde ein Brennen. Flammen schienen wie Zungen über ihr Gesicht zu lecken. Jane atmete keuchend, die Augen quollen aus den Höhlen. Sie hob die Arme an und fuhr durch ihr Haar, das sich schon anders anfühlte. Irgendwie strohig und trocken. Die Strähnen glitten durch ihre Finger, schnitten fast in die Haut, weil sie hart wie Draht waren.
Das Brennen wurde allmählich schwächer und Jane wußte genau, daß der Höhepunkt überschritten war.
Jeden Morgen bei Sonnenaufgang erlebte sie diesen Horror. Erst am Abend, wenn der Sonnenball verschwand, bildete sich bei ihr wieder das normale Gesicht zurück.
Wie jeden Morgen kostete sie es auch jetzt Überwindung, nach ihrem Gesicht zu tasten. Sie hatte die Hände gespreizt, führte die Kuppen der Finger vorsichtig dorthin, wo sich früher die Wangen mit der weichen Haut befanden.
Die waren nicht mehr da.
Statt dessen glitten die Fingerkuppen über die harten Knochen eines Skelettgesichts.
Die Augen befanden sich noch in den Höhlen, doch die Nase war zu einem vorspringenden Knochenstück geworden, das tastete Jane ab.
Auch ihre Lippen waren nicht mehr vorhanden, dafür noch die Zähne und alles übrige ihres Körpers, der nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Jane blieb auf dem Rücken liegen.
Sie schämte sich davor, sich so den anderen zu zeigen. Nur Lady Sarah Goldwyn, bei der sie lebte, durfte sie in diesem Zustand sehen, ein anderer bekam diese »Chance« nicht. Selbst vor John Sinclair versteckte sie sich so gut wie möglich.
Jane dachte,
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