0530 - Der Magus von Zypern
Goldwyn stieß zischend den Atem aus. »Und was macht dich so sicher, Junge?«
Sie sagte oft Junge zu mir. Ich gab ihr auch Antwort. »Es ist der Brief, den ich heute fand. Jane hat ihn mir geschrieben. Er war an mich persönlich gerichtet und enthielt auch eine Erklärung.«
»Dann weißt du, wo sie ist?«
»Ich gehe zumindest davon aus.«
»Und wo?«
»In Zypern!«
Lady Sarah sagte zunächst einmal nichts. Ich hörte sie nur scharf atmen. »Das… das ist doch nicht wahr!« flüsterte sie nach einer Weile. »John, du willst mir einen Bären aufbinden.«
»Leider nicht. Jane schrieb es in ihrem Brief. Hör zu, ich lese ihn dir vor…«
Sarah Goldwyn lauschte meinen Worten. Hin und wieder vernahm ich undefinierbare Geräusche, wenn ich einen bestimmten Satz vorlas, der die Horror-Oma schockte.
Als ich mit dem Gruß abschloß, fragte Sarah Goldwyn: »Das ist doch kein Witz, John?«
»Leider nicht.«
»Bei mir auch nicht.« Sie räusperte sich und fragte lauter als gewöhnlich: »Weshalb tut sie so etwas? Kannst du mir das sagen? Was hat sie dazu getrieben, so zu reagieren?«
»Ich weiß es nicht.«
»Gibt es irgend etwas auf Zypern, das ihre Reise gerechtfertigt hätte?«
»Keine Ahnung, Sarah. Du bist öfter mit ihr zusammen als ich. Suko und ich sind gestern aus Frankreich zurückgekommen. Hinter uns liegt eine Hölle, das kannst du mir glauben.«
»Klar, mein Junge, aber ich muß dich enttäuschen. Auch Jane hat mit mir darüber nicht gesprochen.«
»Wann ist sie verschwunden?«
»Heute morgen oder in der Nacht. Ich habe geschlafen und nichts mitbekommen.«
»Gibt es Spuren?«
»Auch nicht.«
»Dann weißt du auch nicht, wer sie eventuell mitgenommen haben könnte?«
»Nein. Nur befürchte ich, daß Asmodis und seine Helfer oder die Hexen einen erneuten Anlauf versucht haben.«
»Der Meinung bin ich nicht. Wäre dies der Fall, hätte Jane nicht nach Zypern…«
»John, die Verbindungen des Satans sind weltweit. Das müßtest gerade du wissen.«
»Natürlich, Sarah. Trotzdem will mir das nicht in den Kopf. Ich meine, da steckt etwas anderes dahinter.«
»Willst du denn hinfliegen?«
»Der Tenor des Briefes hört sich an, als wollte Jane Collins die Sache allein durchstehen.«
»Das kannst du nicht zulassen, John.«
»So ähnlich sehe ich das auch. Ich muß zunächst einmal hören, was bei uns anliegt. Erst dann sehen wir weiter.«
»Du hältst mich jedenfalls auf dem laufenden?«
»Selbstverständlich.«
»Dann können wir nur noch eines tun, John«, sagte die Horror-Oma zum Abschied. »Unserer Jane die Daumen drücken.«
»Und nicht nur das.« Ich legte auf und war sehr nachdenklich geworden. So hatte ich mir meine Rückkehr nach London nicht vorgestellt. Wie es aussah, war ich wieder einmal vom Regen in die Traufe geraten. Ausgerechnet Jane hatte es erwischt. Sie konnte hinziehen, wo sie wollte. Sicher war sie nirgendwo. Stets wurde sie von ihrer verdammten Vergangenheit eingeholt.
An Ausruhen war nicht mehr zu denken. Ich hatte auch noch etwas einkaufen wollen, denn der Kühlschrank war so gut wie leer.
Das alles hatte Zeit. Jetzt ging es um andere Dinge.
Suko mußte Bescheid wissen, ich wollte auch direkt zum Yard fahren und mit Sir James reden.
Das Telefon meldete sich. Manchmal gibt es eine telefonische Gedankenübertragung. Es war Sir James, der mich begrüßte und fragte, wie ich mich fühlte.
»So zwei bis drei.«
»Das ist gut. Dann können Sie ja zu mir kommen. Ich habe da eine Sache, die uns interessieren könnte. Deshalb bringen Sie Suko bitte auch mit. Alles klar?«
»Wie immer, Sir.«
»Arbeitswütig hören Sie sich nicht gerade an.«
»Das stimmt. Suko und ich haben einiges hinter uns und hätten uns gern ausgeruht.«
»Wer würde das nicht gern? Wann können Sie im Büro sein?«
»Ich fahre sofort los.«
»Gut, ich komme dann zu Ihnen.«
Sir James legte auf, und auch ich drückte achselzuckend den Hörer zurück. Der Alltag hatte mich wieder. Und in mir fraß die Sorge um Janes Schicksal wie Säure…
***
Auch Suko zog kein begeistertes Gesicht, als er neben mir im Rover hockte. Er gewann der Fahrt durch die City doch etwas Positives ab.
»Endlich keinen Schnee.«
»Dafür Abgase und Lärm, Dreck…«
»Ich kann ihn einfach nicht mehr sehen.« Suko blieb bei seinem Schnee. Der war für ihn zu einem Trauma geworden.
»Am besten ist es, wenn du den Winter über Urlaub nimmst«, schlug ich meinem Freund vor.
»Nur wenn es geschneit hat.« Er deutete
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