0531 - Das Grauen von Zagreb
nicht für Sie tun. Ich möchte Sie bitten, mich allein zu lassen.«
»Keine Sorge, das werden wir auch.« Ich nickte ihm zu. »Möglicherweise hören wir noch voneinander.«
Der Dekan starrte uns wieder an. »Das kann sein. Wenn nicht in dieser Welt, dann in einer anderen.«
Meine Antwort ging unter in der berauschenden Trauermusik, die plötzlich durch den Raum hallte. Ohne daß wir es hatten sehen können, hatte er das Band eingestellt.
Die Lautsprecher sahen wir nicht, aber die Musik hüllte uns ein wie ein gewaltiger Mantel.
Sie begleitete uns bis auf den Flur.
»Was sagst du?« fragte Suko.
»Das gleiche wie du. Den haben wir nicht zum letztenmal gesehen. Wahrscheinlich ist er derjenige welcher. Wir sollten Mitic davon in Kenntnis setzen.«
»Sofort? Oder schauen wir uns erst einmal diese ungewöhnliche Espresso-Bar an?«
»Erst die Bar«, entschied ich.
Suko nickte. »So sehe ich das auch. Vielleicht können wir sogar mit dem Teufel tanzen?«
Ich grinste nicht einmal über die Bemerkung. Dafür war mir der Fall einfach zu ernst…
***
»Bitte, hör auf zu weinen. Du zerstörst doch nur dich selbst. Es hat keinen Sinn.«
Jolanda Mitic hob den Kopf. »Ich muß weinen«, erklärte sie ihrem Mann, der sie traurig anschaute. »Über Maria und uns.«
»Wieso über uns?«
Jolanda Mitic schneuzte ihre Nase. »Wir haben es eben versäumt, uns um Maria zu kümmern. Wir hätten es merken müssen. All die Jahre schon. Ja, das hätten wir.«
Der Polizist nickte. Auch er hätte heulen können. Aus dem Büro war er förmlich geflüchtet. Keine Art für einen Vorgesetzten. In diesem Fall jedoch mußte man für ihn Verständnis aufbringen, auch wenn es galt, die näheren Umstände dieses Selbstmords zu untersuchen. Darum konnten sich andere kümmern. Mitic war zu seiner Frau gefahren. Sie saßen im Wohnraum des kleinen Hauses, das noch Jolandas Eltern gebaut und es später vergrößert hatten.
So grau wie die Stimmung des Ehepaares war das Licht, das durch das Fenster hereinfiel. Plötzlich war das Haus leer. Es fehlte eine Person. Maria war zwar selten im Haus gewesen, aber sie hatte stets zurückkehren können. Das würde nun nicht mehr so sein.
Nie mehr…
Er atmete seufzend, als er daran dachte. In einer hilflosen Geste hob er die Schultern. »Sicher, wir hätten uns um sie kümmern müssen, aber es war eben die Zeit.«
»Du in deinem Beruf und auch ich habe die Zeichen nicht erkannt!« flüsterte Jolanda. Sie war ebenfalls halbtags berufstätig. In einem Hospital arbeitete sie als Krankenschwester. Da hatte sie auch nicht viel Zeit gehabt, sich um die Tochter zu kümmern. Die Arbeit war viel gewesen. Im Gesicht hatte sie ihre Spuren hinterlassen. Jolanda wirkte verhärmt. Das einstmals hübsche Aussehen hatte einen starken Schlag bekommen. Nur die großen, braunen Augen erinnerten noch an das junge lebenslustige Mädchen, das sie einmal gewesen war.
»Gib mir eine Zigarette«, bat sie.
Michael Mitic reichte ihr ein Stäbchen und auch Feuer. Jolanda saugte den Rauch tief in sich hinein, um ihn aus den Nasenlöchern wieder hervorfließen zu lassen. »Es ist alles zu spät«, flüsterte sie.
»Wir können die Fehler nicht mehr berichtigen.«
»Ja, leider.«
»Dabei hätten wir nur die Augen offenzuhalten brauchen, dann wäre alles anders gelaufen. Was kann sie denn veranlaßt haben, in den Tod zu gehen? Sie und all die anderen. Bitte, kannst du etwas sagen?«
»Nein.«
»Ihr beschäftigt euch mit den Fällen.«
»Die gibt es offiziell nicht, Jolanda, das weißt du selbst.«
»Und die beiden Engländer?«
»Sind inoffiziell in der Stadt.«
»Was könnte in Maria vorgegangen sein?« Jolanda kam wieder auf das alte Thema zurück.
»Ich weiß es wirklich nicht. Der Tod muß eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf sie ausgeübt haben.«
»Und wenn du mal mit den anderen redest.«
Er runzelte die Stirn. »Wen meinst du?«
»Ihre Freundinnen, ihre Bekannten, sie war schließlich nicht allein, unser Kind. Sie hatte sich einer Gruppe angeschlossen. Sie war ein Mensch, der…«
»Ja, ich weiß.« Mitic nickte. »Dein Vorschlag ist auch nicht schlecht, nur wird er sich kaum realisieren lassen, denn all ihre Bekannten wissen, wer ich bin.«
»Meinst du, sie halten den Mund?«
Michael Mitic nickte heftig. »Und ob sie den Mund halten werden. Ich habe das heute noch erlebt, als wir diesen Jabukovac verhörten. Der sagte nichts.«
»Dann werde ich mich darum kümmern!«
»Wie?«
Jolanda drehte
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