0531 - Das Grauen von Zagreb
ihrem Mann das Gesicht zu. »Ich nehme den Fall in die Hand. Ich will wissen, aus welchem Grund meine Tochter sich das Leben genommen hat und wer alles dahintersteckt. Kannst du das nicht begreifen? Ich, die Mutter.«
»Das verstehe ich. Nur wirst du ebenso wenig Erfolg haben wie ich, meine Liebe.«
Jolanda verengte die Augen. Ihr Lächeln war eisig. »Da irrst du dich, Michael. Frauen sind oft genug zu Dingen fähig, von denen die Männer nicht einmal träumen.«
»Übernimm dich nicht. Wir haben mit den beiden Engländern einen Trumpf in der Hand…«
Sie unterbrach ihren Mann mit einem Lachen. »Welchen Trumpf denn? Haben sie bisher schon etwas geleistet? Nein, das haben sie nicht. Ich aber gehe anders an diesen Fall heran. Meine Tochter muß Spuren hinterlassen haben, als sie noch lebte. Sie ist oft weggegangen. Weißt du denn, wohin sie gegangen ist?«
»Nein.«
»Das werde ich herausfinden, das schwöre ich dir. Ich werde ihre Spuren aufnehmen, sie verfolgen und ebenfalls zu den Plätzen gelangen, die Maria…«
»Man wird dich nicht hineinlassen. Diese Leute haben sich, das wissen wir, in Szene-Lokalen getroffen. In düsteren Kneipen, alten Kaschemmen, wo sie nicht auffielen. Die waren genau richtig für sie, und es hat ihnen Spaß gemacht…«
»Kennst du Namen?«
Er hob die Schultern. »Kaum.«
»Dann sag einen!«
»Nein, Jolanda, das ist nichts für dich. Das sind Gegenden, wo du besser nicht hingehen solltest.«
Sie wollte abwinken, doch das Läuten des schwarzen Telefons unterbrach diese Gestik. Der Apparat stand auf einem kleinen, runden Tisch, auf einer gehäkelten Decke.
Mitic streckte den Arm aus. Er rechnete mit einem Anruf aus dem Büro und sagte seinen Namen ziemlich hart.
Es war keiner seiner Leute. Zuerst hörte er nichts. Als er wieder auflegen wollte, drang die Frage an sein Ohr. »Sind Sie der Vater von Maria?«
»Ja, der bin ich.«
»Gut, das ist gut. Dann hören Sie am besten ganz genau zu, mein Lieber. Aber sehr genau.«
»Reden Sie schon!«
»Sie wollen doch sicherlich mehr über den Tod Ihrer Tochter wissen. Warum und weshalb alles so gewesen ist – oder?«
»Selbstverständlich.« Mitic sprach bewußt einsilbig, weil er Jolanda nicht mißtrauisch machen wollte.
»Dann kommen Sie zu uns. Und bringen Sie etwas Geld mit. Vielleicht kosten die Informationen.«
»Das mache ich.«
»Schön. Ich sage Ihnen einen Namen: Diavolo. Kommen Sie in die Espresso-Bar Diavolo.«
»Und dann?«
Michael Mitic bekam keine Antwort mehr, weil sein unbekannter Gesprächspartner aufgelegt hatte. Aber er wußte jetzt Bescheid, hatte eine Spur und einen Namen.
Diavolo!
Ein Lokal, eine Bar, ein Café. Er kannte es nicht, aber er würde es finden, und zwar allein.
Seine Frau schaute ihn an. »Wer war es?« fragte sie leise.
Mitic hatte sich schon eine Ausrede zurechtgelegt. »Es war jemand vom Büro.«
»Mußt du hin?«
»Ja. Man braucht mich dort.«
Sie lächelte etwas enttäuscht. »Du wolltest mich doch nicht allein lassen. Nicht jetzt, wo…«
»Ich weiß es, Mädchen, aber ich muß hin. Verstehst du das? Ich kann mir nicht erlauben, hier herumzusitzen. Ich bin der Vorgesetzte. Es geht eben nicht anders.«
»Ja, ich verstehe.«
»Da hat sich jemand umgebracht, wie du weißt. Ich werde selbst die Nachforschungen leiten müssen.«
»Und die beiden Engländer?«
»Wo sie stecken, weiß ich nicht.« Er hatte sich wieder umgezogen, doch auf die Uniform verzichtet. Über der Lehne eines Stuhls hing die alte Lederjacke.
Jolanda schaute ihm zu, wie er sie anzog. »Ich weiß nicht«, flüsterte sie, »aber ich habe das Gefühl, als würdest du mir etwas verschweigen, Michael.«
»Was denn?«
»Das war niemals jemand von deinem Büro, der angerufen hat. Das glaube ich einfach nicht.«
»Wer denn?«
»Keine Ahnung. Ich habe zufällig die Stimme gehört. Sie klang anders als die deiner Mitarbeiter.«
Mitic sagte nichts mehr. Er beugte sich zu seiner Frau hinab und legte beide Handflächen gegen ihre Wangen. »Ja, du hast recht, Jolanda. Tu uns einen Gefallen, drück uns die Daumen.«
»Wo gehst du hin?«
»Zum Teufel«, erwiderte er leise. »Ich gehe zum Teufel…«
***
Eine Espresso-Bar mit dem Namen Diavolo! Das hatte ich bisher auch noch nicht gehört, obwohl mir schon vieles untergekommen war. Ich war ebenso gespannt darauf, sie mir anzusehen wie Suko, aber zunächst mußten wir sie finden.
Zwar stand uns der alte Opel zur Verfügung, ein Taxi wäre besser gewesen. Nur
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