0531 - Die Flammenhexe
Verwaltungsbeamte werden wohl eher für Anwesenheit bezahlt als fürs Denken… aber die Steuerzahler haben's ja dick im Geldbeutel.«
Hinter dem Lenkrad winkte Boone ab. »Spar dir deine Hetztiraden für den nächsten Wahlkampf auf. Sag mir lieber, ob wir hinfahren.«
»Wir warten ab und folgen Duval.«
»Hä?«
»Da kommt ein Taxi! Wetten, daß sie damit fährt? Wetten, daß ihr Ziel die Adresse ist, die uns gerade genannt wurde? Und wenn du es dem Taxifahrer nachmachst, alle Verkehrsregeln mißachtest und Einbahnstraßenschilder ignorierst, werden wir die halbe Meile Luftlinie innerhalb von drei Minuten hinter uns bringen, statt in viereinhalb Stunden, wie von den Verkehrsplanern geplant…«
»Erstens wette ich nicht mit dir, weil du nur dann wettest, wenn du andere Leute ausnehmen willst wie 'ne Mastgans. Zweitens werde ich überhaupt nichts mißachten, Spence. Schließlich sind wir die Polizei und damit ein Vorbild.«
»Vorbilder trifft die Kritik zuerst«, brummte Spencer. »Ich hasse Kritik. - Da, sie steigt ein. Hinterher, Mann, und der Teufel soll dich holen, wenn dieser verdammte Taxifahrer es schafft, uns abzuhängen…«
***
Nicole tauchte in das Taxi ein, wählte die Rückbank. Sie legte einen großen Geldschein nach vorn auf die Konsole. »Der gehört Ihnen schon einmal grundsätzlich«, sagte sie. »Wundern Sie sich über nichts. Sie werden langsam fahren und schnell reagieren müssen. Ich gebe Ihnen die Richtung von Fall zu Fall an. Es gibt also kein Ziel von Anfang an.«
»Sie wissen nicht, wohin Sie wollen?« staunte der Fahrer.
»Ich werde es bald wissen. Fahren Sie erst los, wenn ich es sage, und befolgen Sie bitte meine Anweisungen.«
Der Fahrer zuckte mit den Schultern, ließ den großen Geldschein verschwinden und schaltete die Uhr ein. »Ich lausche andächtig«, sagte er.
Nicole versetzte sich in Halbtrance, genau so, wie Zamorra es zu tun pflegte. Aber sie ging nicht den »langen Weg« durch die Zeit zurück, sondern rief den Zeitpunkt ab, den sie Merlins Stern zu speichern befohlen hatte.
Es funktionierte.
Sie war selbst ein wenig darüber überrascht. Sie hatte angenommen, daß es so funktionieren würde, weil es bei einigem Nachdenken logisch war, aber sie hatte nicht hundertprozentig sicher sein können. Es war das erste Mal, daß sie so etwas probierte.
Volltreffer.
Sie tauchte in das Bild ein, in dem bei Nacht der Porsche losrollte. Sekundenlang glaubte sie, in dem Cabrio selbst zu sitzen; es hatte an genau der Stelle gewartet, an der jetzt auch das Taxi stand. Die Hand mit der Pistole durchdrang Nicole, dann fiel die Waffe auf den Sitz, und der Porsche jagte los. »Fahren Sie«, verlangte Nicole. »Die Straße hinunter. Fahrspur links.«
Es war nicht ganz so einfach für den Fahrer. Immerhin herrschte jetzt bei Tage reger Verkehr, und er mußte sich dem anpassen. Nicole reagierte sofort darauf; sie hielt das Amulett in der Hand, sah die Bildwiedergabe und steuerte ihre Geschwindigkeit. Wichtig war, daß sie den Porsche nicht verlor, wenn der überraschend in eine Seitenstraße abbog.
»Ma'am, wir werden zum Verkehrshindernis«, glaubte der Taxifahrer warnen zu müssen.
»Wenn Sie das nervlich verkraften, gibt's ein höheres Trinkgeld«, versprach Nicole, wobei sie sich in ihrem Halbtrance-Zustand anstrengen mußte, ihre Worte schnell und flüssig zu formulieren.
Der Fahrer warf einen mißtrauischen Blick in den Rückspiegel; vielleicht hielt er sie für drogensüchtig.
Das Amulett in ihren Händen konnte er jedenfalls so nicht erkennen.
»Und wenn mein Blech das nicht verkraftet, weil andere in unsere Schleichfahrt 'reindonnern?«
»Dann werden diese anderen ja wohl hoffentlich gut versichert sein. Links abbiegen.«
»Ja, Ma'am. Zu Befehl, Ma'am. Ganz wie Sie wünschen, Ma'am. Ihr Wort in Gottes Ohr, Ma'am.«
»Lassen Sie Gottes Ohr aus dem Spiel und fahren Sie einfach nach meinen Anweisungen. Nun biegen Sie schon ab.«
»Sorry, Ma'am. Aber derzeit zeigt die Ampel rot.«
Damit mußte sie sich abfinden.
Und war wenig später tierisch erstaunt, wieder vor dem Hotel angelangt zu sein.
Die Rothaarige im Porsche schien sie ausgetrickst zu haben - und der Taxifahrer hielt sie mittlerweile für verrückt.
Nicht nur er.
Zwei Polizisten im Verfolgerauto waren der gleichen Ansicht…
***
Die Hexe begann Informationen zu sammeln. Daß Zamorra sich nicht mehr im Krankenhaus befand, überraschte sie. Nähere Auskünfte wollte man ihr logischerweise nicht geben, da
Weitere Kostenlose Bücher