0532 - Der Blutschwur
zusammen.
»Wir waren oben.«
»Ja – und?«
Ich zeigte ihm den Prospekt. »Den fanden wir bei Ihrer Tochter im Papierkorb.«
Er las ihn. »Indien«, flüsterte er und nickte. »Maria hat mal davon gesprochen.«
»Wollte sie hin?«
»So ist es.«
»Und wissen Sie, was mit diesem Reiseveranstalter los ist? Wo befinden sich die Geschäftsräume?«
»In der Altstadt.«
»Wir wollten sie uns gern anschauen.«
Er starrte uns an und hob die Schultern. »Morgen werden…«
»Nicht morgen, jetzt!«
Mitic nickte. Ich hatte damit gerechnet, daß er aufspringen würde, doch der Anblick seiner toten Frau lähmte ihn. Stille breitete sich aus, die hin und wieder durch das Schluchzen unseres Kollegen unterbrochen wurde. Wir schraken zusammen, als plötzlich in einem anderen Raum das Telefon anschlug.
Mitic bekam eine Gänsehaut. »Wer… wer kann das sein?«
»Bitte, gehen Sie hin. Es ist vielleicht wichtig.«
»Ja, ja.« Er erhob sich wie ein schwerkranker Mann und ging greisenhaft nach vorn gebeugt davon.
Erst beim siebten Klingeln hob er ab. Wir waren zu weit entfernt, um mitzukriegen, mit wem er redete. Das Gespräch zog sich doch hin, und ich wurde einfach das Gefühl nicht los, daß es etwas mit unserem Fall zu tun hatte.
»Fatal wäre es, wenn die andere Seite ihn jetzt noch verhöhnt«, flüsterte Suko.
»Dann würde er durchdrehen.«
»Wäre sogar verständlich.«
Wir hörten die Stimme unseres Kollegen, konnten aber nicht verstehen, was er sagte. Zudem war er zu weit entfernt. Aber wir bekamen mit, wie er den Hörer auflegte.
Als er zu uns zurückkehrte, wirkte er verstört.
»Was ist passiert?« fragte ich.
Mitic wischte über sein Gesicht. »Vom Krankenhaus ist angerufen worden.«
»Und?«
»Jurkovic will reden.«
»So plötzlich?«
Michael Mitic blieb stehen und wischte über seine Augen. »Ich wunderte mich auch. Als ich nachfragte, erklärte mir der Arzt, daß Jurkovic völlig durcheinander sei. Er muß ein Trauma oder einen Alptraum gehabt haben, gegen den selbst das Beruhigungsmittel nicht ankam. Es ist eigentlich unerklärlich. Der Doktor sprach auch von einer Fernhypnose, unter der der Patient möglicherweise steht.«
»Der Inder«, sagte Suko.
»Oder Diavolo.«
»Das ist irgendwie gleich.«
»Fahren wir?«
Ich nickte Mitic zu. »Und ob wir fahren. Aber diesmal übernehme ich das Steuer. Ich möchte nicht, daß Sie in ihrem Zustand hinter dem Lenkrad sitzen.«
»Einverstanden.« Er ging an uns vorbei und trat an das Bett, wo seine tote Frau lag. Zärtlich strich er über ihr Gesicht. Eine Geste des endgültigen Abschieds.
Mir wurde die Kehle verdammt eng, und meinem Freund Suko erging es nicht anders.
Fünf Minuten später waren wir wieder unterwegs. Drei Männer, die sich vorkamen, als würden sie gegen die Flügel von gewaltigen Windmühlen ankämpfen…
***
Diesmal ließ man uns sofort durch. Der Portier hatte Bescheid bekommen, und am Eingang erwartete uns der Arzt. Mitic sprach kurz mit ihm, bevor er auf uns deutete.
Der Mann hieß Köhler, war deutscher Abstammung und konnte auch noch Deutsch. Englisch sprach er auch, so gab es keine Verständigungs-Probleme.
»Ich begreife das nicht«, sagte Dr. Köhler. »Es ist noch nie passiert, daß ein Patient erwacht, wenn er mit diesem Mittel förmlich vollgepumpt worden ist.«
»Mußte es sein?«
»Ja, Mr. Mitic, das mußte sein. Wir können ihn uns erst morgen vornehmen, die Nacht über soll er Ruhe haben, aber…« Dr. Köhler hob die Schultern. »Dem war nicht so. Etwas hat ihn geweckt. Ich kann mir nur denken, daß es Ähnlichkeit mit einem Signal hat, das ihn aus weiter Ferne erreichte.«
Wir waren vor einer Aufzugtür stehengeblieben. Der Arzt drückte einen Knopf und uns wenig später die Tür auf. Im Lift fragte er: »Ich möchte mich nicht einmischen, aber ich habe mir den Patienten angesehen. Ich sah die schwarze Kleidung und die eingefärbte Gesichtshaut. Hat er etwas mit den Selbstmorden zu tun, die in der letzten Zeit passiert sind?«
Mitic bejahte.
»Dann haben Sie eine Spur?«
»Wir hoffen es.«
In der zweiten Etage mußten wir die Kabine verlassen. Ein langer, auch ziemlich breiter Flur nahm uns auf. Trotz der Kugellampen unter der Decke wirkte er ebenso düster wie die äußere Fassade des klotzigen Krankenhauses.
Wir gingen nach links, fast bis zum Ende des Ganges. Auf der linken Seite befand sich auch das Zimmer mit dem Patienten. Dr. Köhler legte einen Finger auf seine Lippen, dann öffnete er
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