0535 - Die Verdammte
Mambo-Priesterin gewesen. Eine Frau, die schwarzmagische Rituale beherrschte und sie auch einsetzte. Zugleich eine Person, die über ein immenses Wissen verfügte, das nicht allein aus einem Leben stammen konnte.
Sie hatte schon mehrere Male gelebt, und sie lebte wieder, das wußte Evangeline genau.
Lossardo war darüber ebenfalls informiert, nur hatte er mit der Wahrheit nie herausrücken wollen.
So vergingen die Jahre. Evangeline wurde auch in sexueller Hinsicht Lossardos Eigentum, keiner außer ihm durfte sie anrühren oder auch nur mit gewissen Blicken anschauen. Wer es dennoch wagte, bekam Lossardos wilde Wut zu spüren oder die Krallen seines Panthers.
Dann war dieser Fremde erschienen. Ein Mann aus Europa, aus England, der von ihrer Mutter gehört hatte. Die Quelle hatte er nicht preisgegeben, aber er war zu ihr gekommen, hatte sie angesehen, und Evangeline wußte, daß es um ihn geschehen war.
Eine Faszination hatte diesen Bill Conolly ergriffen, die sie unsicher machte, denn auch ihr war der Fremde schon beim ersten Kennenlernen nicht gleichgültig gewesen.
Für einige Zeit hatte sie sogar Lossardo vergessen und sich nur mit dem Fremden unterhalten. Das war einem Mann wie Lossardo, der überall seine Spitzel sitzen hatte, nicht verborgen geblieben. Er hatte entsprechend reagiert, das Mädchen zur Rede gestellt, es sogar geschlagen, ihren Widerstand zerbrochen und sie für seine Zwecke eingespannt.
Der Reporter hatte etwas über Evangelines Mutter wissen wollen.
Es war leicht gewesen, ihn zum alten Friedhof zu schicken, wo sich das Grab der Mutter befand.
Da war Lossardo dann mit seinen Männern erschienen; sie hatten Bill fertig gemacht. Eine erste und gleichzeitig letzte Warnung, sich nicht mehr um gewisse Dinge zu kümmern.
So war es auch geblieben, und Evangeline hoffte, daß Bill abreisen würde. Sie wollte ihn nicht mehr sehen, obwohl sie ihn so sehr mochte.
In der Nacht hatten sie noch miteinander gesprochen. Ein Dialog des Abschieds, obwohl sich Evangeline nicht sicher war.
Erst sehr spät war sie eingeschlafen und schon beim Morgengrauen wieder erwacht.
Schweißgebadet, sogar zitternd, denn ein schrecklicher Traum hatte sie gequält.
Ein Traum aus Blut und Tod, dessen Erinnerung sie in der kleinen Badestube neben dem Schlafraum abwusch. Sie hatte sich frisches Wasser aus dem Brunnen besorgt und sich anschließend mit einem Parfüm eingerieben. Sie lebte allein in dem Haus, das Lossardo gehörte. Überall hingen seine Bilder. Mal gemalt, mal als Foto. Das Mädchen sollte stets an ihren Herrn und Meister erinnert werden.
Noch bevor die Sonne aufging, hatte sie sich auf die Veranda gesetzt und dem Erwachen der Natur gelauscht. Schließlich verspürte sie Hunger, war ins Haus gegangen, hatte sich Kaffee gekocht und aß einige Eier von ihren Hühnern.
Dann war er gekommen.
Sie hatte ihn nicht gehört. Er mußte den Weg über das Wasser genommen haben, aber plötzlich hatte er im Haus gestanden. Eine unheimliche Gestalt, groß, wuchtig, die Türbreite ausfüllend und neben ihm der Panther mit seinen kalten Leuchtaugen.
»Ich bin es nur«, hatte er gesagt und war näher gekommen.
Evangeline schaute ihn an. Wie immer blieb sein Gesicht unbewegt. Auch die Lippen kräuselten sich nicht einmal, als er lächelte.
Nur ein Zucken der Mundwinkel deutete dies an.
Er hatte sich zu ihr gesetzt und mit seiner sehnigen Hand nach der ihren gefaßt. Sie hatte seinen Geruch wahrgenommen, eine wilde Mischung aus Dschungel, Sumpf und Schweiß.
»Wie geht es dir?«
»Gut.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht.«
Sie drehte den Kopf und schaute nach draußen, wo die Sonne bereits auf den Platz schien. »Weshalb sollte es mir nicht gutgehen? Du hast erreicht, was du wolltest.«
»Lügst du mich jetzt an, Evangeline?«
Die junge Kreolin bekam große Augen. »Nein, wie sollte ich das?«
»Es hätte ja sein können, mein Kind.« Seine wie rasiert wirkenden Augenbrauen bewegten sich. »Vielleicht hast du an diesem Fremden einen Narren gefressen und…«
»Nein, er ist doch weg. Ich habe ihn zum Friedhof gelockt, wo ihr auf ihn gewartet habt…«
»Das stimmt schon, kleine Evangeline. Er hat auch seine Quittung bekommen, nur gehört er zu den Menschen, die es immer genau wissen wollen, verstehst du?«
»Nein.«
»Dann will ich es dir sagen.« Seine Stimme klang hart wie brechendes Glas. »Er ist nicht abgereist. Dein lieber Freund Bill schnüffelt nach wie vor herum.«
Das Mädchen
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