0535 - Die Verdammte
sagte nichts. Seine Überraschung war nicht gespielt.
Evangeline hatte damit gerechnet, daß Bill verschwinden würde.
Nun sollte er sich tatsächlich noch in Baton Rouge aufhalten.
»Stimmt das denn?« hauchte sie.
»Klar.«
»Woher…?«
»Er schnüffelte. Meine Leute beobachteten ihn. Er stellte Fragen, und er fand eine Spur.«
»Zu wem? Zu mir?«
»Nein, nicht hierher. Er ging einen Umweg. Er fand die Spur zu einem Freund deiner Mutter.«
Sie lachte. »Davon hatte sie viele.«
»Das weiß ich, aber nur einer ist dein Vater. Und den hat er gefunden, ohne dies zu wissen.«
Evangeline beugte sich vor. Plötzlich schwitzte sie wieder, als hätte sie unter einer Dusche gestanden. »Du… du kennst meinen Vater, Lossardo? Du kennst ihn?«
»Ja.«
»Wer ist es?«
Der Mann im Ledermantel lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und holte aus der Tasche einen Zigarillo hervor. Mit der anderen Hand streichelte er über das Fell des Panthers. »Dein Vater lebt nicht mehr. Er ist heute ermordet worden!«
Sie saß ganz still, dachte über die Worte nach, ohne sie richtig fassen oder durchdenken zu können.
»Glaubst du mir nicht?«
»Ich… ich weiß nicht.« Sie schaute auf die Tischplatte, wo die Eierschalen lagen. »Ich kann es nicht glauben. Ich kenne keinen Namen.«
»Oh, dein Vater ist berühmt gewesen. Viele haben für ihn geschwärmt. Auch deine Mutter. Er war schon damals eine Legende, ein Musiker der ersten Garnitur, der, Pech für ihn, in Baton Rouge hängengeblieben ist, aus welchen Gründen auch immer. Weißt du nun, von wem ich rede?«
»Ist… es … ist es …«, sie holte tief Atem. »Ist es vielleicht der alte Sweet?«
»Genau!«
Evangeline ballte die Hände zu Fäusten. Sie konnte es nicht fassen. Die Wahrheit war nicht so einfach zu glauben. Sie senkte den Kopf und schüttelte ihn.
»Weshalb glaubst du mir nicht?«
»Ich kann es nicht!«
»Doch, du mußt es.« Er paffte zwei Rauchwolken aus, die sich blaugrau im Zimmer verteilten. »Du mußt mir glauben. Sweet war dein Vater, Mädchen. Es ist die reine Tatsache.«
»Und… und Bill war bei ihm?«
»Klar.«
»Hat er das gewußt?«
Lossardo lachte kratzig. Er schaute durch das Fenster auf den Platz, wo zwei Männer aus den Nachbarhäusern in einen alten Lieferwagen stiegen und abfuhren. »Nein, er hat es nicht gewußt. Er war wie von Sinnen. Er schien erfahren zu haben, daß dein Vater oder Sweet mehr über dich und deine Mutter wußte. Anscheinend wollte er es einem Fremden nicht erzählen, was man auch verstehen kann. Dann ist es eben passiert.«
»Was ist passiert? Was?« rief Evangeline und stand halb auf.
Lossardo blieb ruhig. »Sweet lebt nicht mehr…«
Sie sank wieder zurück. »Mein… mein Vater ist tot?« Die Kreolin fragte es so, als wollte sie es nicht glauben.
»Das stimmt. Dein Freund Bill ist wohl etwas zu wild vorgegangen. Wenn jemand das Messer nicht beherrscht, sollte er damit auch nicht umgehen, das meine ich.«
Evangeline Cortland war wie erschlagen. Über den Tisch hinweg schaute sie in das Gesicht ihres Gebieters, das starr blieb. Er gab keine Erklärung mehr ab, griff statt dessen zu einem Ei und schleuderte es aus dem offenen Fenster. Als es aufschlug, kommentierte er das Geräusch.
»So wird es auch deinem Freund Conolly ergehen. Wir werden ihn zerstampfen.« Er griff zu einem zweiten Ei, pellte es ab, warf es hoch. Es tickte gegen die Decke, fiel nach unten, und Lossardo gab einen Zischlaut von sich.
Der schwarze Panther reagierte. Mit einem eleganten Sprung hechtete er dem fallenden Ei entgegen und schnappte es auf. Mit einem Biß hatte er es verschlungen.
»Stimmt das?« hauchte Evangeline. »Stimmt das wirklich, was du mir da erzählt hast?«
»Weshalb hätte ich dich anlügen sollen?«
»Ich weiß es nicht!« hauchte sie.
»Eben.« Lossardo lächelte kalt. Er wußte genau, daß er Evangeline dort hatte, wohin er sie haben wollte. Er mußte sie dazu kriegen, den Mann zu hassen.
»Und was macht er jetzt?« fragte sie nach einer Weile.
»Keine Ahnung. Aber wie ich ihn kenne, wird er weiter hier herumschnüffeln.«
»Du meinst, er kommt zu mir?«
»Das ist möglich.«
Sie setzte sich aufrecht hin. »Was soll ich dann tun?«
Lossardo lachte sie an. »So gefällst du mir schon besser. Ich werde dir sagen, was du tun sollst. Vielleicht kommt er auch nicht, dann müssen wir ihn locken, aber ich werde dir Gelegenheit geben, um mit ihm abrechnen zu können.«
Sie nickte traurig,
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