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0536 - Götzendämmerung

Titel: 0536 - Götzendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Hoffnung auf Rache nicht auf.
     
    11.
     
    Cleran lernte viel, aber er verstand wenig. Er hatte es schon lange aufgegeben, nach Aklirios Wahlspruch zu handeln, der da hieß: „Es gibt für alle Vorgänge in der Welt eine Erklärung."
    Cleran suchte nicht mehr nach Erklärungen für die seltsamen Dinge, die um ihn passierten. Er nahm sie hin, handhabte sie zum Teil und versuchte, sich seiner phantastischen Umgebung anzupassen.
    Er stellte keine Fragen.
    „Cleran, ein Wunder ist fällig", ertönte die Stimme Tarwsons, eines sternengeborenen Yanarsaren, aus dem Gitterwerk, das die Bezeichnung „Sprechanlage" trug.
    „Wird gemacht", sagte Cleran und verließ seine Kammer im Hintertrakt des Tempels. Er hatte Tarwson noch nie zu Gesicht bekommen. Er wußte nicht, wie er aussah, und es war ihm auch egal.
    Cleran verrichtete seinen Dienst im Tempel Losho Yanars und wartete auf seine Chance. Er vollbrachte Wunder, ohne zu wissen, wie sie zustande kamen.
    „Es gibt für alle Vorgänge in der Welt eine Erklärung!"
    Cleran lächelte über diese Weisheit. In Gedanken fügte er hinzu: aber nicht für mich.
    Er stieg gemächlich über die Wendeltreppe in die Kanzel hinauf, von wo er den gesamten Tempelraum überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Tarwson hatte ihm einmal erklärt, daß die Kanzel von einer Barriere umgeben war, die „elektromagnetische Wellen" nur nach einer Seite hindurchließ. Als Cleran gefragt hatte, was „elektromagnetische Wellen" waren und wie die Barriere nun genau funktioniere, wußte Tarwson nicht weiter. Nicht daß er Cleran keine Auskunft geben wollte, nein, er wußte einfach selbst keine Antwort.
    Aus diesem Vorfall und anderen ähnlicher Art hatte Cleran den Schluß gezogen, daß die sternengeborenen Yanarsaren von der gleichen Verdummung betroffen waren, wie alle Menschen dieser Welt. So gesehen, war ihnen Cleran geistig überlegen, denn er hatte zu keiner Zeit eine geistige Einbuße erlitten -auch nicht damals, als die Verdummung noch viel schlimmere Formen gehabt hatte.
    Jetzt hatte sich die allgemeine Lage gemäßigt, die Menschen hatten einen Teil ihrer Intelligenz zurückgewonnen, aber sie reichten nicht an Cleran heran. Auch nicht die sternengeborenen Yanarsaren. Cleran nützte diesen Vorteil weidlich aus -nur hatte es ihn nicht viel weitergebracht.
    Cleran setzte sich an das „Armaturenbrett" der Kanzel und schaltete die „Lautsprecheranlage" ein. Die Tempelhalle war bis in den letzten Winkel gefüllt, Menschen aller Schichten waren gekommen, um durch ihre Anwesenheit die Gunst der Götzen der Schwarzen Kunst auf sich zu lenken. Selbst eine Reihe von Mitgliedern des Königlichen Hofes hatte sich in den Adelslogen eingefunden.
    Der Vorderteil des Tempels war abgesperrt. Dort, nahe des Altars, standen zitternd die dreißig jungen Mädchen, die geopfert werden sollten. In den mächtigen Opferschalen lagen zuhauf die Pakete mit den Blättern des Dreiseelenkrauts. Die drei metallenen Diener der Götzen, oder „Roboter", wie sie in der Götzensprache genannt wurden, standen reglos links von den Säulen des Altars. Im Augenblick war der Altar noch unbeleuchtet, aber wenn Cleran einen bestimmten Schalter des „Armaturenbrettes" umlegte, dann würde sich zwischen den Säulen ein „Energiefeld" bilden und den Altar in ein eindrucksvolles Licht hüllen.
    Cleran begann mit seiner Predigt.
    „Ehret die Neuen Götter Shavi Yanar, Losho Yanar und Raga Yanar, indem ihr ihnen Dreiseelenkraut und Schönheit opfert.
    Gedenkt Ihr ihrer, dann sind sie euch wohlgesinnt und bringen auch Segen. Vergeßt Ihr sie, verschmäht Ihr sie und wendet Ihr euch falschen Götzen zu, dann werden sie euch in die Verdammnis stürzen!"
    Cleran legte einen Schalter um, der mit einem Blitz gekennzeichnet war.
    Durch diesen einen Handgriff zauberte er eine dichte, schwarze, drohende Wolkendecke unter die Decke des Tempels, aus der Blitze zuckten, sich Hagel und Schnee auf die verängstigten Bürger von Yönyegy ergossen.
    Er ließ durch das Umlegen verschiedener Schalter noch einige mahnende Szenen erstehen: Pest, Hungersnot, Fäulnis und Weltuntergang, bevor er als Höhepunkt seiner Predigt vor den Augen der beeindruckten Götzendiener ein Idyll entstehen ließ.
    Ein sehnsüchtiges Seufzen und Raunen ging durch den Tempel.
    Cleran ließ die verführerische Illusion nur langsam verblassen, damit sie in den Gehirnen nachhalten konnte.
    Dann leitete er das Opferzeremoniell ein. Er ließ zwischen den

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