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0536 - Götzendämmerung

Titel: 0536 - Götzendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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„Du mußt den Göttern überaus dankbar dafür sein, daß sie dir einen so vollkommenen Ersatz für deine Hand geschenkt haben."
    „Götter!" sagte er abfällig. „Sie sind Mörder und Diebe, die die Unwissenheit der Menschen zu ihrem Vorteil ausnützen."
    Plötzlich verzog er schmerzhaft das Gesicht und griff sich an die Stelle, wo die Prothese mit dem verbliebenen Armstummel verwachsen war.
    „Lästere nicht, Cleran", bat sie. „Du siehst, die Götter bestrafen dich sonst."
    „Blödsinn! Diese Idioten haben mich einfach verpfuscht", sagte er. Er verfiel manchmal ganz unbewußt in die gewöhnliche, fast ordinäre Sprechweise, der sich die Yanarsaren bedienten, wenn sie unter sich waren. Er fuhr mit gesenkter Stimme fort: „Die sind gar nicht so unfehlbar und unüberwindlich, wie sie tun. Sicher, sie haben alle Macht in ihren Händen und auch die Mittel, das Volk zu unterdrücken. Ja, sie beherrschen sogar die Fürsten und Könige unserer Welt. Aber geistig gesehen, sind sie nicht viel höher einzustufen wie alle anderen Sterblichen. Ich habe erkannt, Nyryla, daß ich ihnen geistig überlegen bin. Sie tragen zwar mehr Wissen in sich, aber sie können es nicht voll auswerten. Es war ihnen nicht einmal möglich, die Prothese sachgemäß anzubringen. Ich bin geistig wendiger als sie, Nyryla, und das läßt mich darauf hoffen, eines Tages doch noch die Götzen stürzen zu können."
    Sie sah ihm flehend in die Augen. „Bitte, sprich nicht mehr so lästernde Worte. Ich fürchte den Fluch der Götter."
    Er straffte sich. „Ich werde sie besiegen." Ein Donnergrollen, so mächtig, daß der Tempel in seinen Grundfesten erschüttert wurde, erklang.
    Nyryla klammerte sich zitternd an ihn.
    „Das ist die Antwort der Götter!" kam es über ihre bebenden Lippen.
    „Es ist der Donner, der ein Gewitter ankündigt", behauptete er.
    „Es wird gleich vorbei sein."
    Aber das Donnergrollen ließ nicht nach, im Gegenteil, es verstärkte sich sogar. Die Wände des Tempels bekamen feine Risse, Staub rieselte herab.
    „Das ist der Beginn des Weltuntergangs, den du in deiner Predigt prophezeit hast", sagte Nyryla.
    Cleran entgegnete nichts. Vielleicht hatte Nyryla recht. Die Götzen der Schwarzen Künste waren mächtig genug, diese Stadt und weite Teile Vomeggens mit einem einzigen Schlag zu vernichten, das wußte er. Aber es lag überhaupt kein Grund vor, dies zu tun. Die Bürger von Yönyegy hatten immer ihren Tribut geleistet.
    Er schlüpfte schnell in seine Yanarsaren-Rüstung und rannte mit Nyryla ins Freie.
    Auf dem Platz vor dem Tempel herrschte das Chaos. Die Menschen rannten wild schreiend durcheinander, flüchteten in die Häuser oder drängten panikartig aus ihnen hinaus ins Freie.
    Sie stürmten den Tempel, um dort Schutz zu suchen, inhalierten die Dämpfe des Dreiseelenkrauts, um der Wirklichkeit zu entfliehen - und scharten sich in Gruppen zusammen, um gemeinsam dem Untergang der Welt entgegenzusehen. Aber was sie auch taten, sie schauten alle in den Himmel, aus dem die unheimliche Bedrohung auf sie zukam.
    Die Luft bebte immer noch unter dem Donnergrollen. Ein Wind, ein Sturm war aufgekommen. Die Wolken wurden durcheinandergewirbelt, als blase ein wütender Riese seinen Hauch in sie hinein, dann brachen sie auseinander, wurden hinweggefegt - und gaben ein Riesengebilde frei.
    Es schweßte noch hoch über den Wolken, beinahe so hoch wie die Sterne. Dennoch war zu erkennen, daß es gigantische Ausmaße besaß. Von seiner kreisrunden Unterfläche schossen mächtige Flammenzungen auf die Welt hinunter. Es war ein umgedrehter Berg, ein Gebirge mit unzähligen Vulkanen, die nun ihr feuer über die Menschen ausgossen. Dieses flammende Gebirge mußte größer als der größte Yanar-Tempel sein. Cleran glaubte sogar, daß es größer als ganz Yönyegy sei, aber wegen der Entfernung ließ sich das nicht mit Sicherheit feststellen.
    Als die Menschen ihn erblickten, bestürmten sie ihn mit Fragen und Bitten, bedrängten ihn, küßten ihm Hände und Füße und flehten um Gnade für ihre Seelen.
    „Sehet empor und erkennet euch selbst. Von dort oben kommt der Berg des Bösen. Es ist das Böse, das in euch geschlummert hat und nun freigeworden ist", verkündete Cleran über die „Verstärkeranlage", in seiner Yanarsaren-Rüstung. „Von wem Böses in diesem Berg ist, den wird der Berg erdrücken. Wer Gutes getan sein Leben lang, der hat sich nicht zu fürchten."
    Die Menge kreischte auf, als sich weitere Sprünge in den Mauern

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