0539 - Der Alptraum-Schädel
da?«
»Si.«
»Wo denn?«
»Hier!« flüsterte Carmen.
Pablo wollte es nicht glauben. »Aber das ist doch noch nie geschehen. Nie zuvor.«
»Doch«, sagte Suko. »Wir haben sie gesehen und auch vertrieben.«
Grenada strich über sein Gesicht und knetete die Haut. »Sie haben die Gesichter vertrieben?«
»Durch mein Kreuz«, sagte ich.
Er überlegte. »Was kann das heißen?«
»Zumindest stehen sie auf einer Seite, die man als die des Bösen bezeichnen kann.«
»Die Totenwelt?«
Ich hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, Señor Grenada.«
»Wie?«
»Ob es wirklich die Welt der Toten ist oder eine andere Dimension, das ist eben die Frage.«
Er schabte über seinen Kopf. »Sie behaupten dann, daß es auch noch andere Dimensionen gibt?«
»So ist es.«
»Wie denn?«
Ich winkte ab. »Es hat keinen Sinn, jetzt lange zu erklären. Am besten wird es sein, wenn Sie und Ihre Frau der Arbeit nachgehen, als wäre nichts gewesen. Auch Ihre anderen Gäste brauchen nichts zu merken. Wir übernehmen den Rest.«
»Waren Sie denn schon in der Küche?«
»Nein, noch nicht. Da ist Ihre Mutter.«
Carmen hatte ihre Scheu überwunden und ging hinter die Theke, wo sie damit begann, Krüge zu füllen. Ein Gast erschien an der Tür.
Er beschwerte sich lautstark darüber, daß sein Durst immer größer würde, und er nichts bekam.
Carmen Grenada sorgte für schnelle Abhilfe, während Suko und ich den Weg zur Küche einschlugen.
»Mich wundert nur«, sagte ich, »daß sich unser Freund Menco nicht gezeigt hat.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Wahrscheinlich ist er so high, daß er etwas auf eigene Faust unternehmen wird. Ich erinnere mich, daß er sich die Bohlen in der Küche sehr genau angesehen hat.«
»Dann wird er im Keller sein.«
»Vielleicht auch auf dem Friedhof, wenn es ihm gelungen ist, den Zugang zu finden.«
Suko bekam einen starren Blick. »Meinst du, daß…«
Wir betraten die Küche und blieben stehen, wie vor eine Wand gelaufen. Mitten auf dem Boden lag Rosa Grenada und rührte sich nicht mehr. Sie war tot…
***
Ich erreichte die Liegende mit einem Sprung, ließ mich auf die Knie fallen und konnte erkennen, daß man die Frau erwürgt hatte. Die Abdrücke liefen wie Streifen um ihren Hals.
Suko hatte sich dorthin gestellt, wo eigentlich die Bretter den Zugang hätten verdecken müssen. Das war jetzt nicht mehr der Fall.
Jemand hatte sie weggezogen.
Ich brachte mein Gesicht nahe an das der alten Frau heran, fühlte nach der Halsschlagader und schrak plötzlich zusammen, als ich das Zucken an der dünnen Fingerkuppe spürte.
Rosa lebte doch noch!
Es war wie ein Wunder. Ich rief Suko. Gemeinsam begaben wir uns daran, die Frau durch Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage ins Leben zurückzuholen. Sie hatte auf der Kippe gestanden, wir arbeiteten uns unheimlich vor, gaben nicht auf, schufteten regelrecht, und das Wunder gelang. Ihr Herz begann wieder zu schlagen.
Später waren wir schweißgebadet, als die Frau plötzlich die Augen aufschlug, uns sah, nichts begriff, aber mit einer krächzenden Stimme fragte: »Ich lebe?«
»Ja, Sie leben.« Ich hob ihren Kopf an. Suko hatte ein Kissen besorgt und legte es ihr als Stütze hin. Die Frau bat um ein Glas Wasser, das ich ihr holte.
Sie trank es leer. Manchmal würgte sie, rang auch schwer nach Atem, aber sie gehörte zu den Menschen, die ungemein zäh waren, trotz ihres Alters.
Schließlich bat sie, sich hinsetzen zu dürfen. Wir hoben sie gemeinsam hoch. Laufen konnte sie noch nicht, dazu war sie zu schwach. Zudem rieb sie ständig ihren Hals, wo die Klauen zugedrückt hatten. Natürlich lagen uns zahlreiche Fragen auf der Zunge, aber wir wollten abwarten, bis Rosa Grenada von sich etwas sagte.
Das tat sie auch. »Er… er kam an …« Die einzelnen Worte waren stets durch keuchende Laute unterbrochen. »Er war plötzlich da und wollte in den Keller.«
»Wer?« fragte Suko.
»Dieser Reporter.«
Wir nickten uns zu. Also Manuel Menco. Wer hätte es auch anders sein können?
»Was geschah genau?«
»Ich wollte ihn nicht lassen, aber er versuchte, mich zu überreden. Dann erschienen plötzlich die Gesichter. Schwach nur, aber sie waren da. Im gleichen Moment veränderte sich der Mann. Er war wie von Sinnen, sprang auf, wollte in den Keller, ich hielt ihn fest und da… da hat er mich gewürgt.« Sie starrte uns an. Jetzt schwammen ihre Augen im Tränenwasser. »Ich … ich dachte, sterben zu müssen, zu ersticken.
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