0539 - Der Alptraum-Schädel
Außerdem wollte sie seinen Eltern so bald wie möglich Bescheid geben. Sie sollten die restlichen Gäste nach Hause schicken und sich um die unheimlichen Vorgänge kümmern.
Die gesamte Atmosphäre innerhalb des Hauses hatte sich stark verändert. Sie war magisch aufgeladen. Eine besondere Kraft mußte den Keller und die Mauern verlassen haben, um unsichtbar durch die Räume zu fließen.
Überlaut gellte plötzlich der Schrei auf.
Fernando wurde bleich. Er krallte sich an seiner Großmutter fest, die eine Hand auf das Geländer legte, um sich abzustützen. Der Schrei zitterte noch nach, als die Stimmen draußen plötzlich überschnappten. Ein jeder versuchte, den anderen zu überbrüllen.
Tische fielen ebenso um wie Stühle. Die Großmutter und ihr Enkel standen noch immer auf der Treppe. Sie wußten nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
Sekunden später sollten sie es erfahren, denn die Gesichter in den Wänden waren ebenfalls von der magischen Kraft erfaßt worden und lösten sich aus ihrem Gefängnis…
***
Gewaltige, unerklärliche Kräfte erfaßten uns. Sie drangen von allen Seiten auf uns ein, als hätte eine andere Welt ihre Pforten geöffnet, um uns zu überfallen.
Der gesamte unterirdische Höhlenkomplex schien sich in Auflösung zu befinden. Hatten vorhin nur unsere beiden Lampen als Lichtquellen gedient, so stiegen jetzt die breiten Bahnen aus dem rissigen Boden empor und gaben den Geschehnissen eine fahle, schaurige Beleuchtung.
Im Mittelpunkt standen nicht wir, sondern Manuel Menco. Er hielt auch weiterhin seinen Schädel fest umklammert, und es war nicht zu erkennen, ob er ihn möglicherweise gedreht hatte. Jedenfalls war es ihm gelungen, die Magie, die in diesem Totenkopf steckte, zu befreien – und damit die Geister.
Wir hatten sie schon als Gesichter gesehen. Jetzt aber stiegen sie in langen, fahlen Bahnen aus den Rissen und Spalten des Felsbodens empor, vereinigten sich zu langen Schleiern, die sogar Gesichter besaßen, und jagten durch dieses unterirdische Labyrinth wie Kometen.
Menco hatte sie befreit, und Menco zahlte dafür auch einen fürchterlichen Preis.
Wir standen unter dem Bannstrahl der alten, fremden Magie. Wir hörten ihn brüllen und sahen, daß sich sein Gesicht auf furchtbare Art und Weise verzerrte.
Er kam nicht vom Fleck, der Schädel spie seine magischen Kräfte aus, die den Körper des Mannes durchscheinend machten.
Ein Mensch verglaste…
Das war unser erster Eindruck, doch er strahlte von innen her so auf, daß es eine regelrechte Lichtexplosion gab, die ihn schließlich vor unseren Augen vernichtete.
Gleichzeitig hörten wir ein schrilles Pfeifen, das unsere Trommelfelle zu zersprengen drohte, dann fiel die Dunkelheit zurück über die gewaltige Höhle, und es waren nur mehr unsere Lampen, die noch leuchteten.
Aber sie lagen am Boden, ebenso wie Suko und ich. Der Spuk hatte nur Sekunden gedauert, doch in dieser Zeitspanne gezeigt, zu welchen schlimmen Dingen er fähig war.
Menco gab es nicht mehr, den Schädel hatten wir zuletzt unzerstört gesehen. Er mußte einfach noch existieren.
Nur stand er nicht mehr auf der Felsplatte. Suko hatte sich zuerst erheben können. Er konnte nur nicht gerade stehen, weil er Schwierigkeiten mit dem Kreislauf bekam. Der Lampenstrahl zitterte, es war schwer, ihn auf einen Punkt zu konzentrieren. Als es mein Freund endlich geschafft hatte, zielte der Kegel auf eine leere Fläche.
Kein Schädel war mehr zu sehen und auch kein Staub, zu dem er hätte werden können.
»Die Geister, die er rief!« zitierte Suko den Altmeister Goethe, »ist er nicht mehr losgeworden.«
Auch ich rappelte mich hoch. Der magische Ansturm hatte uns unvorbereitet erwischt, selbst mein Kreuz war da wertlos geworden.
Ich spürte die gleichen Symptome wie Suko: Gleichgewichtsstörungen, Schwindelgefühl.
»Hier haben wir nichts mehr zu suchen«, erklärte Suko und hatte mir aus der Seele gesprochen.
Allmählich fand ich meine normale Form zurück. »Und was ist mit diesen geisterhaften Erscheinungen?«
»Sie sind frei!«
Ich nickte ihm zu. »Du sagst es, Suko, wie auch der Schädel.«
Dann deutete ich gegen die Decke. »Beide werden wir wohl da oben finden. Menco hat den Zauber gelöst. Jetzt habe ich nur noch Angst um die Grenadas…«
***
Sie hatten gegessen, getrunken, gefeiert!
Wie immer an diesen Abenden war besonders dem Wein zugesprochen worden, und das ließ die Stimmung besonders hohe Wellen schlagen. Auch Pablo kam allmählich in
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