054 - Josephas Henker
Männer in Cabinda war verrückt nach ihr.
Warringer kam öfter nach Cabinda. Zweimal, sogar dreimal im Monat. Immer war er in der weißen Villa des Statthalters am Ozean zu finden. Esther Souza langweilte sich in Cabinda. Warringer kam ihr zur Abwechslung gerade recht. Zudem wollte sie auch Rodrigo de Caboza, einen Weltenbummler und Abenteurer aus reichem, adligem Hause, eifersüchtig machen. Esther Souza flirtete mit Warringer.
Sie machte ihn verrückt mit ihrem Lächeln, ihren dunklen Augen, ihren verheißungsvollen Blicken und halben Versprechungen. In klaren Augenblicken sagte sich Warringer, daß er keine Aussicht hatte, sie jemals für sich zu gewinnen. Ihr Vater plante, sie mit Rodrigo de Caboza zu verheiraten. Esther war damit völlig einverstanden.
Wieder einmal war Warringer nach Cabinda gekommen. Er suchte die Villa des Statthalters auf, machte seinen Bericht. Am Abend fand ein kleiner Ball im Hause Don Esteban Diego Souzas statt. Warringer tanzte oft mit Esther. Sie gestattete ihm, sie auf einem kleinen Spaziergang zu begleiten. Kaum waren sie außer Sicht der anderen, als Warringer Esther seine Liebe gestand.
„Du hast mich verhext und verrückt gemacht, Esther. Ohne dich kann ich nicht mehr leben. Ich weiß, ich habe wenig und ich bin wenig, aber du mußt mein werden.“
Esther Souza lachte ihr silbriges, glockenhelles Lachen.
„Ihr habt zuviel getrunken, Senor Warringer. Ihr seid ein treuer Diener meines Vaters, daher will ich Euer Gerede vergessen. Doch jetzt kein Wort mehr davon.“
Ein Mann näherte sich den beiden. Rodrigo de Caboza. Er musterte Warringer, als fixiere er ein giftiges Insekt, bot Esther Souza den Arm.
„Dieser Mann ist kein Umgang für dich, Esther. Komm mit mir.“
Warringer sah ihnen nach, die Fäuste geballt. Er schwor sich, Esther Souza zu bekommen, und wenn er sich mit dem Teufel selbst verbünden müßte. Noch in der gleichen Nacht brach Warringer zu seiner Faktorei auf.
Er raste gegen sich selbst und die andern. Seine Männer fürchteten ihn mehr denn je. Warringer war ständig betrunken. Naomi und Kikala, die beiden Basutofrauen, zitterten vor ihm.
„Euer Volk kennt doch die dunklen Mächte und Dämonen der Finsternis“, sagte Warringer eine Woche nach der schlimmen Abfuhr, die er von Esther Souza erhalten hatte, zu seinen beiden schwarzen Frauen. „Ihr habt Medizinmänner und Urwaldhexen. Kann denn keiner von ihnen mir helfen, Esther Souza zu gewinnen?“
Kikala haßte Warringer, der oft ungerecht und brutal zu ihr war.
„Die Urwaldhexe Gavra kennt alle Liebeszauber. Sie ist eine mächtige Herrin der Dämonen. Bei ihr findest du Rat und Hilfe, Herr.“
Naomi liebte Warringer. Sie warnte ihn.
„Geh nicht zu Gavra. Sie ist uralt und böse. Ja, sie wird dir deine Wünsche erfüllen, aber auf eine böse Art. Bleib weg von Gavra, Herr, es wäre dein Verderben.“
Doch Warringer ließ sich nicht abhalten. Er erfuhr, daß Gavra, die Urwaldhexe, am andern Ufer des Kongo mitten im Dschungel lebte. An einem verfluchten, gemiedenen Ort. Doch das konnte Warringer nicht schrecken.
Am nächsten Morgen brach er auf. Mit dem Boot ruderte er über den eine Meile breiten Kongo und fand auch den Pfad, der zu der Urwaldhexe führte.
Je weiter Warringer kam, desto dichter und wilder wurde der Urwald. Stellenweise war der Pfad völlig überwuchert. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das dichte Laubdach der Urwaldriesen. Im üppig wuchernden Gewirr des Unterholzes herrschte reges Leben.
Blätter raschelten. Tiere schrien. Einmal war es Warringer, als hörte er einen klagenden Laut. Doch er redete sich ein, daß es nur eine Tierstimme war. Dann hatte Warringer den Weg verloren. Er stand mitten im Halbdunkel des Dschungels.
Da erblickte er den Totenkopf. Er steckte auf einem abgestorbenen Ast. Die Zähne bleckten Warringer an. In einiger Entfernung sah er den nächsten Totenkopf.
Naomi und Kikala hatten ihm von den makabren Wegweisern erzählt. Er mußte ganz in der Nähe der Behausung der Urwaldhexe sein. Warringer ging weiter. Bald stand er vor einer niedrigen, aus Ästen und Blättern bestehenden Hütte. Er bückte sich, trat durch den niederen Eingang.
Als seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah er eine uralte, häßliche, verrunzelte Frau an einem kleinen Feuer hocken. Sie trug einen dunklen Umhang, mit allerlei geheimnisvollen Zeichen bemalt. Ihr schmutziggraues Haar wuchs in dünnen Strähnen auf dem Schädel, der an einen Totenkopf
Weitere Kostenlose Bücher