054 - Todesfahrt um Mitternacht
deshalb, weil sie schwach waren. Wer nicht so stark war wie er, für den hatte er nur Verachtung übrig.
Zu Atax blickte er auf. Die Seele des Teufels war für ihn so etwas wie ein schwarzer Gott. Ihn verehrte er, ihm wollte er nacheifern, wenn das überhaupt möglich war.
Atax' Verbündeter zu werden, war für Murdock Vidor das Höchste und Erstrebenswerteste. Er wollte die Chance, die ihm die Seele des Teufels bot, nützen, eiskalt seine Rache nehmen und beweisen, daß er dieses Bündnisses würdig war.
Er stellte sich ein Leben neben Atax vor. Sein Name würde in den Dimensionen des Grauens bekannt werden.
Zur Zeit wußten noch nicht viele, wer Murdock Vidor war, aber das würde sich ändern.
Es gab unzählige Schwarzblütler seiner Stärke. Mit Atax' Hilfe wollte sich Vidor über sie erheben. Ein Teil von Atax' Macht würde auf ihn abfallen und auch ihn mächtiger machen, als er jetzt war.
Der grausame Mord an dem Taxifahrer war für die Bestie wichtig gewesen. Jetzt war er ruhiger, überlegter. Die innere Unruhe hatte sich gelegt.
Alles war wieder so wie früher.
Die Bestie verließ den leeren Betonkanal.
Man würde irgendwann - nicht so bald - eine Leiche finden, die kaum mehr zu identifizieren war, und man würde sich den Kopf darüber zerbrechen, wer dieses schreckliche Verbrechen begangen haben könnte.
Der Weisheit letzter Schluß würde sein, die Tat einem Geistesgestörten in die Schuhe zu schieben, aber das war Murdock Vidor nicht. Er war bei erschreckend klarem Verstand. Ein von der Hölle auf Mord programmiertes Wesen, in dessen Adern schwarzes Blut floß!
Vidor kehrte in menschlicher Gestalt zum Taxi zurück. Er stieß die hintere Tür, die er deformiert hatte, zu, und schwang sich hinter das Lenkrad. Grinsend erinnerte er sich an die panische Angst, die der Taxifahrer gehabt hatte.
»Nun ist es vorbei«, sagte er höhnisch. »Nun hast du keine Angst mehr.«
Er wendete den Wagen und verließ das alte, einsame, düstere Dock, fuhr stromaufwärts und entdeckte eine üble Spelunke, die er betrat. Hier war rund um die Uhr geöffnet.
Ein Mädchen mit Tigerbluse und kurzem, eng anliegendem, glänzendem schwarzem Lederrock pirschte sich an ihn heran.
»Hallo, Großer«, sagte sie mit rauchiger Stimme. »Ich bin Mirjam, wie heißt du?«
»Murdock.«
»Spendierst du mir einen Drink, Murdock?«
Er ließ seinen Blick an ihr auf- und abgleiten. Sie hatte nichts dagegen, stellte sich in Pose und präsentierte ihm ihre Reize, die ohnedies nicht zu übersehen waren.
Langsam erwachte ihn ihm wieder die Gier!
»Alles, was du siehst, kann heute nacht dir gehören, Murdock«, sagte Mirjam verführerisch, und die Bestie fand das Angebot tatsächlich äußerst verlockend. Wenn auch auf andere Art.
»Mit einem Drink beginnt's.«
»Na komm schon«, sagte Murdock Vidor und wies zur Bar.
»Henry!« rief die schwarzhaarige Mirjam. »Einen doppelten Kentucky Bourbon für mich! Der Gent bezahlt!« Sie schob ihre Hand unter seinen Arm, fühlte die harten Muskeln und schnurrte wie eine Katze. »Du bist stark, Murdock. Ich liebe starke Männer.«
Er grinste. »Und ich liebe schwache Mädchen.«
Wenn sie gewußt hätte, wie er das meinte, hätte sie kreischend Reißaus genommen, aber sie hielt ihn für einen Mann, der nichts weiter wollte, als ein bißchen gekaufte Liebe und Zärtlichkeit.
Beides konnte er von ihr bekommen, und sie würde ihm nicht einmal etwas vorspielen müssen, wie sie's bei anderen Freiern oft zu tun gezwungen war, denn Murdock gefiel ihr.
Bei ihm würde auch sie auf ihre Kosten kommen.
»Was kriegen Sie?« fragte Henry, der einäugige Barkeeper. Da war mal ein Messer gewesen, dem er nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Die Klinge war ihm senkrecht über das Gesicht gefahren - von der Stirn bis zum Kinn, über das Auge. Die Narbe leuchtete knallrot.
»Dasselbe«, sagte Murdock Vidor. »Was macht das?«
Der Keeper nannte den Preis.
»He, wir müssen nach diesem einen Drink noch nicht gehen«, sagte Mirjam. »Wir könnten uns mit ein paar weiteren Drinks in Stimmung bringen. Wenn ich einen sitzen habe, bin ich besonders gut, da bin ich nicht mehr zu bremsen, und mir fallen Dinge ein… Richtig erfinderisch werde ich, sag' ich dir. Manches könnte ich mir glatt patentieren lassen.«
Murdock Vidor überlegte, ob er sich mit dem Mädchen abgeben sollte. Er war durch den Mord an dem Taxifahrer auf den Geschmack gekommen, und wenn er Mirjam ansah, kribbelte es ihn mächtig in den
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