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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Augen starrten die alte Zigeunerin an. »Aber es tut so schrecklich weh. Und es blutet! Ich fühle es doch, wie es blutet! Es ist nicht normal, nicht?«
    »Bald hast du es überstanden«, wiederholte die Wahrsagerin. »Reg dich nicht auf. Damit änderst du nichts. Du mußt dich entspannen. Gib dich deinen Träumen hin.«
    Sie träufelte wieder etwas von der dunklen Flüssigkeit in Zytas Mund. Im Reflex schluckte die ehemalige Tochter des Sippenführers.
    Die Alte schloß die Augen. Der Trank, der Zyta Träume schenken sollte, wirkte nicht!
    Es war um sie herum düster. Nur ein paar Kerzen brannten in dem kleinen Wagen, der kaum Platz für zwei Personen bot. Zyta lag auf Blixbahs Lager und wand sich in ihren Krämpfen.
    Die alte Frau wußte, daß sie nicht mehr viel tun konnte. Sie hatte alles versucht und war nahezu am Ende ihres Könnens.
    Aber sie war schon sehr alt, und sie begann bereits manches zu vergessen. Anfangs hatte sie versucht, Zyta ihr Wissen zu vermitteln. Doch die Lebenslinie in Zytas Hand veränderte sich zu oft.
    -Und sie war kurz, viel zu kurz.
    Die alte Blixbah hatte Zytas Todesstunde nie sehen können. Denn Zyta war bereits gestorben. Am gleichen Tag, an dem der junge Mann aus dem Dorf Tannau starb. Seinen Tod hatte Blixbah gesehen, als sie ihm in die Augen blickte, und es ihm doch nicht sagen können. Man sagt einem anderen Menschen nichts Böses, selbst wenn er kein Zigeuner ist. Man sagt ihm nur das Gute. Und oft genug ist dieses Gute wenig genug, so daß man es ausschmücken muß. Doch viele sind undankbar, weil man ihnen nicht alles, nicht auch das Böse, sagt. Und so schimpfen sie auf die Wahrsager, bezichtigen sie gar der Lüge. Dabei würden sie der wirklichen Lüge sofort bedenkenlos Glauben schenken, wenn sie ihnen nur genug Gutes vorgaukelt.
    Draußen zerrte der Sturm an dem kleinen Wagen. Er heulte durch das Lager und drohte immer wieder das kleine Feuer zu löschen, an dem jetzt niemand saß, um die Fidel zu streichen und alte Märchen zu singen oder Tänze zu üben. Weit entfernt zeigte sich über den Mauern der großen Stadt schwacher Lichtschein; die Stadt, in die man die manusch nicht hineingelassen hatte. Aber der Himmel war düster. Es hätte hell sein müssen in diesen Nächten vor Vollmond. Doch ein schwarzer Drache hatte die Mondin gefressen, hatte sich als schwarzer Kreis davorgeschoben und das Licht geschluckt, das bis dahin noch durch die jagenden Wolken gedrungen war, Mondfinsternis!
    Kein gutes Omen für die Geburt eines Kindes. Der schwarze Kreis, der Drache, der die Mondin verschlang, um sie später achtlos wieder auszuspeien, hatte das Trostlicht der Nächte für diese Nacht zu einem Unglücksstern gemacht.
    Zyta wimmerte wieder.
    Plötzlich flog die Tür auf.
    Romano trat ein. Der Sippenführer hatte es noch nie für nötig gehalten, anzuklopfen, wenn er den Wagen der alten Blixbah betrat. Er blieb vor dem Lager stehen und starrte das Mädchen aus dem einen Auge an, das ihm verblieben war. In dem anderen steckte eine Bleikugel und gab ihm ein grausiges Aussehen; auf eine Augenklappe verzichtete er.
    »Es ist gut, daß du gekommen bist in dieser Stunde«, sagte die Wahrsagerin heiser. »Schließe Frieden mit deiner Tochter. Nimm sie wieder auf in Ehre. Du hast ihre Schande gerächt.«
    »Diese Schande vergeht nicht«, sagte der Zigeunérfürst. »Nie mehr. Und diese da ist nicht meine Tochter. Und ihr Bastard ist nicht mein Enkel.«
    »Dennoch bist du gekommen. Sprich in Vaterliebe oder schweige.«
    »Dann werde ich schweigen«, sagte Romano.
    Sie waren geflohen, damals, vor neun Monaten. Vor den wütenden Bauern, die nicht verstehen wollten, warum Romano den Mädchenschänder hatte bestrafen müssen. Der holzbeinige Dorfschulze, der wohl der Vater des Mädchenschänders war, besaß sogar eine alte Flinte, die er mehrmals abgefeuert hatte. Eine der Kugeln steckte in Romanos linkem Auge, die anderen hatten ihn verfehlt. Das Pulver, das der Holzbeinige benutzte, war alt und schlecht und gab den Kugeln zu wenig Kraft. Sonst wäre die Kugel nicht in der Augenhöhle steckengeblieben, sondern hätte ihm den ganzen Kopf durchschlagen. Aber er hatte das Holzbein des Schulzes zerschlagen und das Knie des Mannes zertrümmert. Später hatte die alte Blixbah ihm gesagt, daß der Mann an der Wunde sterben würde.
    Es war Romano egal gewesen.
    Die Büttel des Landgrafen hatten sie eine Weile gejagt. Zwei junge Männer waren gestorben, als sie die Sippe gegen die Verfolger

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