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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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im Gegenteil, es wirkte jetzt lammfromm.
    Aber kaum bemerkte es Zamorra, als es schon wieder unruhig zu tänzeln und zu schnauben begann.
    »Ganz ruhig, du Bestie«, murmelte Tendyke. »Ganz ruhig. - Das kann nicht wahr sein…«
    »Was meinst du damit?« wollte Zamorra wissen.
    Der Abenteurer seufzte.
    »Dieses Pferd«, sagte er gedehnt, »dürfte seit knapp fünf Jahrhunderten nicht mehr leben.«
    ***
    Trier, 1491:
    Die Zigeuner hatten ihr Lager draußen vor den Stadtmauern aufgeschlagen. Sie waren weit herumgekommen in den letzten Jahren, vielleicht weiter als die meisten anderen Sippen. Aber ihren Anführer Romano trieb eine eigenartige Unrast, die ihn geradezu auszehrte. Schlohweiß war sein Haar geworden. Das Auge mit der Flintenkugel darin war längst zugewachsen; eine dunkle Narbe in seinem braunen Gesicht. Er trank viel Kartoffel- und Kräuterschnaps, er fluchte, und manchmal saß er stundenlang einfach nur da und brütete dumpf vor sich hin.
    Doch noch immer war seine Autorität unangefochten, und das, obgleich er mittlerweile schon um die 60 Winter zählte. Vielleicht auch ein paar mehr; so genau wußte das niemand, am wenigsten er selbst. Seit er seine Tochter verloren hatte, hatte er die Jahre nicht mehr gezählt, auch nicht jene, die er vorher gelebt hatte. Es war, als sei etwas in ihm gestorben.
    Seine Enkelin sah er nie an. Wenn sie in seine Nähe kam, wandte er sich ab.
    Er hatte auch nie wieder mit der alten Blixbah gesprochen. »Sprich in Vaterliebe oder schweige«, hatte sie damals, in jener stürmischen Mondfinsternisnacht, gefordert, und »Dann werde ich schweigen«, hatte er erwidert. Daran hielt er sich bis heute. Er sprach mit allen anderen, jedoch nicht mit Elena oder der alten Blixbah. Und er sprach auch nicht über eine von ihnen. Es war, als existierten beide nicht für ihn.
    Elena war geächtet. Sie war ein vaterloser Bastard, gehörte nicht zu den manusch. Sie wurde geduldet, aber wohl nur, weil jeder die alte Blixbah respektierte. Auch im hohen Alter beherrschte sie ihre geheimen Künste.
    Doch gleich, niemandem gefiel, daß sie ihr Wissen ausgerechnet an den Bastard Elena weitergab.
    Elena paßte auch äußerlich nicht zu den Zigeunern. Nur zu deutlich war ihr Makel sichtbar, das unselige Erbe ihres toten Vaters. Ihre Haut war hell, viel zu hell für eine rom. Und ihr Haar schimmerte wie das Gold, das im Lederbeutel des Sippenführers steckte und sich nie aufbrauchte, ganz gleich, wie viele Münzen der alte Mann auch ausgab.
    Einmal hatte die alte Blixbah Elena gesagt, daß dieses Gold eigentlich für sie bestimmt sei und ihr Großvater es ihr nicht geben wolle. »Warum nicht?« hatte Elena gefragt. Darauf hatte ihr die alte Blixbah keine Antwort geben können.
    Aber einmal, in einer finsteren Winternacht, hörte Elena ihre Ziehmutter im Schlaf reden. Vom Gold, das der Teufel verschenkt hatte und aus dem nichts Gutes erwachsen könne. Und daß sie froh sei, daß Romano das Gold in seinen Händen behielte und es nicht dem unschuldigen Mädchen gäbe…
    Es war nicht zu leugnen, daß es der Sippe gutging. Das Gold hatte sie reich gemacht. Sie trugen schöne Kleidung, besaßen mehr Vieh als damals, vor zwei Jahrzehnten, und ihre großen Wagen wurden nicht mehr von Eseln oder Ochsen gezogen, sondern von starken Pferden.
    Doch oft genug war es ein Problem, die Goldmünzen in minderes Geld zu wechseln. Denn wer glaubte schon einem Zigeuner, daß er das Gold ehrlich erworben habe? Und vom Wert her waren die Münzen viel zu groß. Mit einem Goldstück in der Schenke ein paar Humpen Bier zu bezahlen - welcher Wirt sollte soviel Scheidemünzen bereit haben? Der kaufte für ein Goldstück einen halben Jahresvorrat an Bier oder Wein! So gesehen, hatte der Teufel den manusch nicht gerade einen Gefallen getan, als er ihnen einen Beutel mit Goldmünzen verschenkte. Kupferpfennige wären klüger gewesen, weil leichter umzusetzen.
    So hatte Romano auch heute einen aus der Sippe in die Stadt geschickt, um sich in dunklen Gassen umzutun und bei den Hehlern oder der Diebesgilde nachzuforschen, wer dafür genügend Taler, Silbergroschen, Kupferpfennige, Heller, Batzen oder sonstwas bot - was auch immer gerade in Trier und dem Umland die gängige Münze war. Wurde einer dabei gesehen, daß er mit solch zwielichten Elementen verkehrte, half das natürlich nicht gerade, Vorurteile der Seßhaften zu mindern; ganz im Gegenteil. Es nährte die bösen Gerüchte über die Zigeuner. Aber eben dieser bösen

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