0542 - Himalaya-Grauen
Ankömmlinge betraten ihn.
Zur linken Seite hin wuchs der glatte Fels hoch. An manchen Stellen stieg er senkrecht in die Höhe. Die Oberfläche wirkte wie geschliffen. Spiegelhaft glänzte sie im Licht der Sonne, deren Strahlen kein Nebel mehr behinderte.
Nach rechts hin schirmten die Fassaden der Klosterklausen den Blick ins Tal hin ab. Es war eine Welt für sich, ein Ort des Schweigens, trotz der zahlreichen Menschen.
Sie alle warteten auf das große Ereignis. Padmasambhava hatte sein Kommen angekündet, und nichts würde ihn daran hindern, auch zu erscheinen. Sicherlich spürte er die Botschaft, die ihm entgegengebracht wurde. Sie drang aus den Herzen der Menschen und wehte hinauf in die Welt der Götter.
Die vier Adepten verschwanden in der großen Pagode. Im Gegensatz zur farbigen Festtracht der Bewohner war sie schmucklos. Nicht einmal Malereien verzierten die Fassade.
Die Besucher wußten genau, wie sie sich zu verhalten hatten.
Nichts durfte dem Zufall überlassen werden, jede Bewegung, jede Tat war ritualisiert. Das helle Klingen der Schellen war verstummt.
Von irgendwoher klang das Rattern einer Gebetsmühle.
Stimmen flüsterten und summten. Der Wind trug die Echos über den Innenhof.
Schatten erschienen an den Türen – die Mönche kamen. Sie trugen die schweren, violettroten Gewänder, die ihnen bis zu den Füßen reichten. Riemensandalen mit Holzsohlen klapperten bei jedem Schritt. Die frommen Männer hatten die Köpfe gesenkt. Die Schädel waren kahl geschoren worden. Nicht ein Haar bewegte sich im Wind.
Die Mönche verteilten sich. Über schmalen, an den Außenwänden der Klausen angebrachte Treppen gingen sie hoch bis zu den Dächern. Sie bildeten eine unterschiedlich hohe Reihe, und der älteste von ihnen kletterte am höchsten.
Ein Gong ertönte. Einer der Novizen hatte ihn angeschlagen. Sein Echo hallte weit über das Land, als wollte die Botschaft die Eisriesen im Norden erreichen.
Der Abt, in diesem Kloster hieß er Lama, hob die Arme. Dann betete er laut und voller Inbrunst. Jeder hörte seine Worte, die an diejenige Person gerichtet war, die sich noch nicht hatte blicken lassen und auf die jeder wartete.
Kam der große Magier tatsächlich zurück? Würde er das Tigernest wieder so besetzen wie damals?
Er kam tatsächlich! In die Worte des betenden Lama hinein heulte plötzlich eine Windbö. Sie drang aus dem Norden zu ihnen und brachte die Kälte der Gletscher mit.
Eingefaßt und begleitet von einer gewaltigen Wolke, stürmte sie gegen das am Berg klebende Tigernest.
Die Versammelten duckten sich. Spannung und etwas wie Furcht zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab. Sie hielten die Augen weit geöffnet, die Erwartung stand in ihren Blicken zu lesen. Schauer rieselten über die Haut, Lippen zuckten, die geflüsterten Worte riß ihnen der Wind von den Mündern, und dann waren sie da.
Aus der Wolke schälte sich eine mächtige Gestalt, ein fliegender Tiger, der die Eisriesen überwunden hatte. Auf ihm, königsgleich, der Magier Padmasamdhava.
Stolz und kühn hatte er seinen Platz, eine Hand gegen den Himmel gestreckt, die andere zur Erde gerichtet.
Und hinter ihm, die Hände auf seine Schulter gelegt, saß eine Frau, deren obere Gesichtshälfte von einer Maske bedeckt wurde.
Die Frau war mit einer Armbrust bewaffnet. Ihre langen Haare flatterten fahnengleich im Flugwind.
Niemand sprach, aber die Mönche und die Bewohner aus dem Tal wußten, was sie tun mußten.
Sie warfen sich zu Boden, preßten ihre Stirnen gegen das Gestein und hofften, daß der Magier ihnen gnädig gesonnen war.
Der Tiger schwebte aus der Wolke und landete auf dem Dach der Pagode, wo der Lama noch immer betete.
Shao und Gigantus kletterten vom Rücken des Tigers. Der angebliche Buddha lächelte und flüsterte Shao etwas zu.
Sie nickte und erwiderte: »Ja, ich freue mich, an deiner Seite herrschen zu können…«
Danach sprach Gigantus zu seinem Volk und erklärte den Menschen, wie er sich die Zukunft vorstellte…
***
In den Flieger steigen, starten, hinfliegen und landen, damit war nichts. Es gab da einige Probleme, die erst noch aus der Welt geschafft werden mußten.
Allerdings waren wir daran nicht beteiligt, das besorgte Wladimir Golenkow für uns. Wir konnten nichts anderes tun, als es uns in seiner Wohnung so gemütlich zu machen wie eben möglich.
Die Warterei begann.
Am Abend des nächsten Tages hatte er sämtliche Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Ziemlich erschöpft kam er zu
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