0542 - Himalaya-Grauen
und sprach ab und zu einige Sätze.
Die Maschine flog eine gewaltige Schleife und kippte dabei etwas nach links ab.
Plötzlich sah ich die Bergwelt verschoben. Sie lag auf der Seite wie ein verzerrtes Bild.
Dann erschien Paro als bunter Flecken inmitten eines grünen, sehr weiten Hochtals.
Die Maschine verlor noch mehr an Höhe, sie war im Landeanflug.
Dann hatten wir Kontakt.
Die schwere Maschine stöhnte auf. Für einen Moment fürchtete ich, daß das Fahrwerk bei der enormen Belastung brechen würde, aber die Maschine rollte weiter und nahm Kurs auf die flachen Bauten des Flughafens.
Geschafft!
Auch Mark Baxter war mittlerweile wach geworden. Er reckte und streckte sich, stöhnte tief und rieb seine Augen. Dann grinste er zu uns herüber. »Wie war’s?«
»Toll.«
»Ich kannte die Landschaft. Ist immer wieder beeindruckend.« Er strich sein Haar glatt.
Zwar mußten auf Flügen die Passagiere angeschnallt bleiben, bis die Maschine endgültig stand, darum jedoch kümmerte sich kein Mensch. Noch bevor sie ausrollte, lösten die Reisenden ihre Gurte, standen auf und drängten sich in den schmalen Gang.
Wir blieben hocken. Mark Baxter hatte in seine Tasche gegriffen und einige Dollarnoten hervorgeholt.
Als er meinen kritischen Blick sah, grinste er und gab eine Erklärung ab: »Wir wollen ja schnell durch den Zoll.«
»Ach so.«
Ich war überrascht von der herrlichen, weichen Luft, die uns empfing. Hier stank keine verdreckte Umwelt, hier war Frische Trumpf.
Ich hatte mich etwas über Land und Leute informiert und wußte inzwischen, daß in Bhutan rund 650.000 Menschen lebten. Es waren die Bhotia, und sie stammten ab von Einwanderern aus Tibet. Als Halbnomaden, Bauern und Händler lebten sie im kleinsten Reich des Himalaya.
Das Land der Drachen, so war es genannt worden. Drachen sahen wir nicht, dafür freundliche Zollbeamte, die noch freundlicher wurden, nachdem Mark Baxter mit ihnen auf seine Art und Weise »gesprochen« hatte.
Frieden im Land der Drachen, so hätte ich meinen Bericht umschrieben, was die ersten Eindrücke anbetraf, die ich von Bhutan bekommen hatte.
Es war einfach ein Genuß, hier zu sein.
Vom Flughafen bis in die Stadt nahmen wir ein Taxi. Wir fuhren über das grüne Hochtal, das von dicht bewaldeten Hängen beschützt wurde. Dahinter stiegen düster die Felsen hoch, aber durch die Weite des Tals und die Herrlichkeit der Sonne verloren sie eine Menge ihres drohenden Aussehens.
Hellblau mit einem Stich ins Graue schimmerten die zahlreichen Bäche und kleinen Flüsse, die aus den Eisregionen des Himalaya hinunter ins Tal strömten.
Dann fuhr der Fahrer eine Tankstelle an, und wir konnten uns nur wundern. Ich hatte noch nie eine Tankstelle im Tempel- und Pagodenstil gesehen. Hier erlebten wir sie.
Minuten später fuhren wir weiter. Der Fahrer sprach des öfteren mit mir.
Sein Englisch war allerdings kaum zu verstehen.
Bauern arbeiteten auf ihren Feldern, die terrassenförmig angelegt worden waren. Sie bearbeiteten sie mit für uns primitivem Gerät, doch in dieser Landschaft konnte ich mir einfach keine Traktoren und moderne Geräte vorstellen.
Dann erreichten wir Paro und passierten gewaltige festungsartige Bauten in Weiß und Rot.
Der Fahrer erklärte mir, daß es sich dabei um Gästehäuser handelte, damit die Fremden das Leben der Einheimischen nicht zu sehr störten. Bhutan hatte eben seine eigenen Gesetze.
Ich fragte ihn nach dem Tigernest. Vor Schreck hätte er fast zu viel Gas gegeben und dabei ein Huhn überfahren. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Schatten aus.
»Ist etwas damit?«
»Nicht gut«, sagte er, »überhaupt nicht gut. Die Götter haben gezürnt. Es ist verdammt.«
»Das Kloster?«
»Alles, auch das Dorf, die Menschen. Niemand soll mehr hingehen. Es ist gefährlich.«
»War Padmasambhava denn so schlimm?«
Wieder hatte ich ihn mit dieser Frage erschreckt. Er wurde noch bleicher. »Nicht von ihm sprechen! Er hat Ohren überall.«
»Schon gut, danke.«
»Wo wollen Sie hin?«
Baxter gab die Antwort. »Das Haus von Patan, kennst du das?«
»Ja, er ist berühmt hier.«
»Dort setz uns ab.«
Freundliche, bunt gekleidete Menschen, wenige Autos, viele Fahrräder und auch Karren, die von Menschen oder Tieren gezogen wurden, bestimmten das Straßenbild.
Die weißen Fassaden der Häuser standen im harten farblichen Kontrast zu den flammendroten Dächern, auf denen, das erfuhren wir auch, das Chili-Gewürz zum Trocknen lag.
Es war schon ein
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