0542 - Himalaya-Grauen
ungewöhnliches Land, dieses Bhutan. Ebenso ungewöhnlich wie die Bemalungen an den Hauswänden. Einmal sahen wir zwei orangefarbene Phallus-Symbole als Fruchtbarkeitsbringer rechts und links einer sehr bunt bemalten Eingangstür.
Götter oder Wesen zwischen Traum und Wirklichkeit sprangen uns fast von jeder Hauswand ins Auge.
Patan wohnte in einem prächtigen Haus in der Mitte von Paro.
Ein Bogentor, mit dem Bild eines Drachen darauf führte zu einem Innenhof, der von drei Seiten durch ebenfalls mit Motiven bemalten Hauswänden umschlossen wurde.
Vor dem Bogen hielt der Wagen. Wir entrichteten unseren Obulus und machten uns auf den Weg.
Werkstatt, Verkaufslager, Wohnhäuser und dazwischen ein ständiges Kommen und Gehen, das war Patans Welt. Wir wurden freundlich begrüßt, man nickte uns oft zu, und es war Suko, der nach Patan fragte.
Der junge Mann, den er angesprochen hatte wies auf eine große Tür, die offen stand.
Wir bedankten uns.
Wenig später hatte uns ein Geschäft verschluckt. Es roch nach Tee und Gewürzen. Ein Aroma und ein Duft, wie ich ihn noch nie zuvor wahrgenommen hatte. In der ersten Minute kam ich mir vor wie betäubt. Der Duft stand unter der niedrigen Decke aus festem Lehm, die zusätzlich durch breite Holzbalken abgestützt wurde.
Auch ranziges Fett oder Butter schwängerte den Raum. In einer Ecke saß eine uralte Frau vor zwei mit Fett gefüllten Fässern. An ihr gingen wir vorbei. Sie nickte uns zu, und wir fragten nach Patan, der über unsere Ankunft informiert worden war.
Sie deutete mit der rechten Hand auf eine Tür, die kaum zu sehen war. Baxter klopfte an.
Golenkow stand zwischen Suko und mir. Der Russe fühlte sich nicht wohl, das sahen wir ihm an.
»Hast du was?« fragte ich.
»Ja, eine empfindliche Nase. Diese Gerüche sind nichts für mich.«
Ich lachte leise. »Man muß sich daran gewöhnen.«
»Lange werden wir nicht mehr bleiben.«
»Stimmt.«
Dann traten wir ein. Wir hatten keine Vorstellung von Patan und seinem Büro, staunten aber nicht schlecht, als uns ein noch junger Mann begrüßte, der einen stahlblauen Anzug trug und aussah wie ein Yuppie. War das Patan? Er hatte bisher hinter einem Schreibtisch gesessen, erhob sich und fragte nach unseren Wünschen.
Es stellte sich sehr schnell heraus, daß er seinem Chefassistierte.
Patan selbst residierte in einem Nebenraum. Der Assistent fragte erst nach, dann durften wir zu ihm.
Der Raum war halbdunkel. Ein nahezu klassischer Gegensatz zu dem nüchtern eingerichteten Vorzimmer. Als Lichtquellen dienten kleine Öllampen, die überall verteilt standen, aber soviel Beleuchtung abgaben, daß der auf einem bunt bedruckten Sitzkissen hockende Mann Zahlen in eine moderne Rechenmaschine tippen konnte.
Als er uns hörte, legte er das Gerät zur Seite und erhob sich. Er wurde kaum größer, man konnte ihn als Sitzgröße bezeichnen. Sein Gesicht glänzte wie ein blanker Kinderpo. Es war pausbäckig, die Augen dunkel und die Haut für einen Bewohner dieses Landes ziemlich hell.
Er trug ein langes Gewand, das auf der gelben Grundfarbe rote Stickereien zeigte. Der große, aus mehreren Segmenten bestehende Kreis in der Mitte fiel besonders auf.
Im nahezu perfekten Englisch hieß er uns willkommen und bot uns auch Plätze an.
Wir nahmen ebenfalls auf Hockern Platz, und der Yuppie von nebenan brachte frischen Tee, der in hauchdünnen Schälchen serviert wurde. Zunächst tranken wir. Er war bitter und süß zugleich.
Dann fragte uns Patan nach der Reise und zeigte sich zufrieden, als wir erklärten, wie gut sie verlaufen war.
Auch als wir auf das eigentliche Thema zu sprechen kamen, das uns hergeführt hatte, verlor der Mann seine asiatische Gelassenheit nicht. Er blieb dabei sehr höflich, lächelte, doch seine freundlichen Worte enthielten auch eine Warnung.
»Sie haben sich keine gute Zeit ausgesucht, um dem Tigernest einen Besuch abzustatten.«
»Weshalb nicht?« fragte Suko.
»Weil es dort Veränderungen gegeben hat.« Er nahm einen Schluck Tee und hatte die andere Hand erhoben, zum Zeichen, daß er weitersprechen wollte. »Ich selbst war nicht dort, aber ich hörte Berichte, und sie klangen nicht sehr gut.«
»Inwiefern?«
»Es ist jemand zurückgekehrt.«
»Padmasambhava«, sagte ich.
»Ja.« Er nickte mir zu. »Der große Magier ist heimgekehrt. Und das kann böse sein.«
»Was hat er vor?« fragte Mark.
»Er wird sein Reich aufbauen, das er damals vor über tausend Jahren gegründet hat.«
»War er gut
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