0543 - Die Fliegen-Königin
älteren Mann, dessen Gesicht er nicht sah, weil es zur Seite gedreht war. Er berührte Herbert Klein an der Schulter und drückte ihn herum.
War er tot?
Nein, Herbert Klein atmete noch. Nur befand er sich in einem Zustand, der den Namen Schlaf nicht verdiente. Die Züge wirkten zwar entspannt, allerdings auch leer.
Peter Garner brauchte nicht lange zu überlegen, um das Ergebnis herauszufinden.
Die Kleins waren ohnmächtig oder bewußtlos. Jemand hatte sie bewußt in diesen Zustand versetzt, um nicht gestört zu werden.
Nur eine kam in Betracht.
Elvira, die Tochter!
Aus seiner gebückten Haltung erhob sich Peter und schaute unruhig zur Tür, als würde Elvira dort jeden Moment erscheinen. Zum Glück blieb sie verschwunden.
Keine Gäste mehr, die Eltern ausgeschaltet, nur die beiden Engländer mußten sich im Haus befinden, und natürlich er.
Was würde geschehen, wenn Elvira herausfand, daß er das Haus nicht verlassen hatte. Wahrscheinlich würde sie auf ihn nicht soviel Rücksicht nehmen wie auf ihre Eltern. Mittlerweile traute er ihr alles zu. Er überlegte noch, als er ihre Stimme hörte.
Sie rief nach ihm. Wie sie seinen Namen aussprach, ließ auf schlimme Folgen schließen. Das geschah keifend, beinahe schon wütend oder haßerfüllt. Am Klang erkannte der junge Mann, daß sich Elvira bereits dicht vor der Schlafzimmertür befand. Für eine Flucht nach draußen war es zu spät. Er mußte sich im Zimmer verbergen.
Die Kleins schliefen noch in relativ altmodischen Betten, die auf Stützpfosten standen. Zwischen ihnen und dem Fußboden befand sich eine relativ große Lücke. Immerhin so breit, daß sich ein schlanker Mensch in sie hineinschieben konnte.
Peter überlegte nicht mehr lange, tauchte zu Boden und schob sich über den Teppich hinweg und unter das Bett. Es klappte gerade noch. Er hatte im letzten Augenblick die Beine anziehen können, als die Schlafzimmertür wuchtig und irgendwie rücksichtslos aufgestoßen wurde.
Peter hielt den Atem an. Er lag so, daß er unter dem Bett hervor-und bis zur Tür schauen konnte.
Dort stand sie.
Er sah ihre Füße, einen Teil der Beine und hörte auch das typische Summen der Fliegen.
Klar, sie wurde von ihren Freunden begleitet. Würden sie es auch schaffen, ihre Königin zu warnen?
Er drückte sich die Daumen, spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach und hatte das Gefühl, jede Sekunde würde sich auf die Dauer von einer Minute ausdehnen.
Hatte sie etwas bemerkt? Weshalb ging sie denn nicht?
Endlich, nach einer schier furchtbar langen Zeit, machte sie auf dem Absatz kehrt und ging wieder zurück. Sehr leise schloß Elvira Klein die Tür. Das Summen der Fliegen verstummte.
Unter dem Bett atmete Peter Garner stöhnend auf. Er hätte vor Erleichterung schreien und zugleich heulen können. Die gesamte Zeit über hatte er unbeweglich gelegen. Nun zitterte er. Die Nachwirkung des Schocks machte sich derart stark bemerkbar.
Er zitterte auch noch, als er unter dem Bett hervorgekrochen war und sich aufrichtete.
Die Kleidung klebte an seinem Körper, so durchgeschwitzt war er. Nur allmählich konnte er wieder klar und nüchtern denken.
Dabei kam er zu dem Ergebnis, das er soeben noch einem furchtbaren Schicksal entwischt war. Elvira Klein hatte sich davon überzeugen wollen, ob das Haus tatsächlich bis auf einige bestimmte Personen leer war. Diese wiederum brauchte sie als Opfer.
Die beiden Engländer. Einen von ihnen hatte sie als Doppelmörder bezeichnet. Peter Garner glaubte mittlerweile daran, daß auch Elvira bereit war, einen Doppelmord zu begehen.
Und nur wegen der Fliegen? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß so etwas möglich war. Über die Gründe dachte er nicht nach. Für ihn war viel wichtiger, jetzt etwas zu unternehmen. Nur, wie sollte er sich verhalten?
Er dachte an Flucht! An ein heimliches Davonstehlen aus diesem verdammten, von Fliegen verseuchten Hotel.
Wenn er das tat, mußte er die beiden Engländer im Stich lassen.
Das gefiel ihm auch nicht. Wenn ihn nicht alles täuschte, befanden sie sich in ihren Zimmern.
Oder hatten sie das Haus auch verlassen?
Peter steckte in einer Zwickmühle. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Durch das Hotel in die erste Etage zu gehen, das traute er sich nicht. Vielleicht konnte er auch von außen feststellen, ob sich die beiden noch im Haus befanden.
Leise, aber dennoch zielstrebig verließ er die Wohnung des Ehepaars. Er hatte den normalen Hotelbau kaum erreicht, als die Stimme
Weitere Kostenlose Bücher