0543 - Die Fliegen-Königin
nicht gedacht, daß der Abend so enden würde. Ausgerechnet Elvira war mit ihm gefahren.
Sie galt im Ort als heißer Ofen, war auch nicht zu schüchtern; einen festen Freund hatte sie nicht.
Der Weg wand sich hoch in die Berge. Rechts und links stiegen die saftigen Almen an, hin und wieder aufgelockert durch Häuser, Hotels oder kleine Pensionen.
Je höher sie kamen, um so einsamer wurde es. Die Lichter verstreuten sich. Sie wirkten auch verloren auf den dunklen Seiten der Hänge. Am fernen Himmel grüßten die Sterne. So gehörte es sich auch für eine romantische Sommernacht.
Marco schaute das Mädchen hin und wieder an. Manchmal verirrte sich auch seine rechte Hand. Dann rutschte sie vom Knüppel der Gangschaltung auf Elviras Knie.
»Laß das doch!« bat sie.
»Wieso?«
»Marco, bitte.«
Er lachte. »Stell dich nicht so an.« Er schaltete höher und fuhr schneller. Rasant nahm er die nächsten beiden Kurven, um dann blitzschnell nach rechts in einen Wanderweg einzubiegen, der direkt dem Hochwald entgegenführte.
»Das ist nicht die richtige Strecke!« beschwerte sich Elvira.
»Wir haben doch Zeit – oder?«
»Nein, ich muß nach Hause bitte.«
»Du bist achtzehn, Mädchen, erwachsen also.« Jetzt fuhr er noch schneller, weil er Elvira keine Chance geben wollte, aus dem Fahrzeug zu flüchten. Wenn sie es trotzdem versuchte, würde sie sich zumindest einige blaue Flecken holen.
»Und wo willst du hin?« fragte sie tonlos.
»Ich kenne im Hochwald einen Hochsitz…«
»Ach nein.«
»Doch, du glaubst gar nicht, wie romantisch ich sein kann. Dann pfeif ich auf den Disco-Sound. Romantisch in den Bergen ist einfach etwas Wunderbares, finde ich.«
Sie lachte spöttisch. »Du hast dich ja sehr verändert.«
»Ich bin flexibel.«
»Das sieht man dir auch an.« Marco trug enge Glitzerkleidung, eben wie Travolta in seinen Filmen. Sein Hemd stand weit offen.
Auf seiner Brust quoll ein Pelz von Haaren.
»Ich möchte aber nach Hause, Marco!«
Er nickte und fuhr weiter. »Klar, Süße. Ich bringe dich sogar bis vor die Haustür.«
»Sofort!«
»Nein, erst schauen wir uns den Hochsitz an.«
Elvira gab keine akustische Antwort. Ihre Körperhaltung war Erwiderung genug. Die Haltung versteifte sich. Sie blieb starr sitzen, nur die Wangenmuskeln zuckten. Ansonsten starrte sie durch die gebogene Frontscheibe in den hellen Teppich des Fernlichts, das bereits über den Rand des Hochwalds strich. Auch der schmale Weg war nicht mehr zu sehen, die Reifen des Opels wühlten die Grasfläche einer Weide auf und spurten sie tief ein.
»Wir sind gleich da, Elvira. Das letzte Stück gehen wir zu Fuß. Romantik in der Sommernacht.«
»Ich weiß.«
»Dann kommst du mit?«
»Ich werde mit dir gehen.«
Er schaute sie an und streichelte ihren Oberschenkel. »Das ist stark, ehrlich. Ich verspreche dir, daß du es nicht zu bereuen brauchst, wirklich nicht.«
»Vielleicht bereust du es.«
»Ich?« Marco bremste ab, lachte und schaltete die Scheinwerfer aus. »Keine Sorge, wer mit dir zusammen ist, hat nichts zu bereuen. Man wird höchstens beneidet.«
»Weshalb?«
Marco schlug sich gegen die Stirn. »Weißt du denn nicht, wie scharf die Jungen im Dorf auf dich sind?«
»Kaum.«
Er stieg aus, lief um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und verbeugte sich sogar. »Darf ich bitten, Gnädigste?«
Elvira löste den Gurt und stieg aus. Ihre Füße versanken im Gras.
Zum Greifen nahe standen die Bäume. Meist Nadelhölzer. Es war schwer, sich zwischen ihnen einen Weg zu bahnen. Marco kannte sich aus. Er wußte von einem schmalen Pfad, der sich in den Wald hineinschlängelte. Es konnten kaum zwei Personen nebeneinander hergehen, doch Marco legte einen Arm um Elvira, da klappte es.
Er streichelte ihren Rücken und stellte fest, daß sie unter dem dünnen Sommerpullover nichts trug. Er grinste. Seine Hand fand den Saum, hob ihn leicht an, die Finger tasteten wenig später über die nackte Haut des jungen Mädchens.
»Wie weit ist es noch?«
»Wir sind gleich da. Kennst du den Hochsitz nicht?«
»Ja und nein! Ich habe von ihm gehört.«
Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis sie ihn erreicht hatten. Er stand gut geschützt inmitten des Waldes. Wer die Leiter hochkletterte, mußte den Kopf schützen, um nicht von den Nadeln der Fichten gepiekst zu werden.
Neben der Leiter waren sie stehengeblieben. Ihre Füße sanken ein in den weichen Waldboden.
Es war dunkel, nur die Gesichter schimmerten hell. Marco atmete
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