0547 - Der Vampir-Gnom
tatsächlich etwas angetan hat, werde ich ihn zerstückeln, Sinclair. Haben Sie gehört? Ich werde ihn zerstückeln.«
Ja, ich hatte ihn verstanden. Trotz seines Racheschwurs und seines ungebrochenen Willens blieb bei mir ein verdammt unangenehmes Gefühl zurück.
Mein Vater dachte ähnlich. Er starrte zu Boden.
»Worauf warten wir noch?« fuhr uns Manford an. »Los, wir gehen und holen uns die Bestie…«
***
Lisa Manford erlebte einen Alptraum!
Den Strick hatte der Entführer nicht von ihrem Hals entfernt, nur gelockert, so daß sie wenigstens atmen konnte. Auch die Ohmacht hatte nicht sehr lange gedauert. Lisa war aus dem schockartigen Trauma erwacht, als sich noch die Lichter des Hauses in Sichtweite befanden. Nur konnte sie nicht so recht begreifen, in welch einer Lage sie sich befand, denn sie lag nicht ruhig über der Schulter des Vampir-Zwergs. Durch dessen Größe bedingt, schaukelte Lisas Kopf dicht über dem Erdboden. Sie hatte Angst davor, mit dem Schädel oder dem Gesicht gegen irgendwelche Steine zu schlagen und sich eine erneute Ohnmacht oder Bewußtlosigkeit zu holen.
Das hohe Gras und das aufragende Unkraut berührten sie sowieso. Beides streichelte durch ihr Gesicht. Manchmal waren es auch die Blätter der Nesseln, die über die Haut glitten und sie an den Stellen brennen ließen, als wären sie mit Säure übergossen worden.
Lisa versuchte zu denken. Es fiel ihr zu schwer. Das Schaukeln und Rütteln jagte Stiche durch den Kopf. Sie schossen kreuz und quer wie Blitze und hinterließen auch in den Ohren einen Schmerz.
Er ging weiter.
Manchmal fauchte er, dann wieder stöhnte er auf, als hätte er schwer an einer Last zu tragen.
Vampire sind Untote. Man kann sie nicht mit Menschen vergleichen. Sie besaßen auch keine menschlichen Kräfte, dafür die der Hölle. So machte es ihnen nichts aus, ob sie etwas Schweres trugen oder nicht. Sie konnten keine Kraft und Kondition verlieren.
Das Ziel ließ er nicht aus den Augen. Kein künstliches Licht leuchtete weit und breit. Die Dunkelheit war wie eine blaue Flüssigkeit, die alles übertünchte.
Längst waren die Lichter des Manfordschen Hauses nicht mehr zu sehen. Selbst die hellen Lichtinseln hinter den Bäumen waren verschwunden. Eine im fahlen Mondlicht unheimlich und unwirklich erscheinende Landschaft hielt Vampir und Opfer umfangen.
Schon waren die Felsen zu ahnen. Kantige Steilhänge, an der Oberfläche, wo das Mondlicht sie deutlicher traf, leicht silbrig schimmernd. Der Nachtwind bewegte die Zweige der Büsche. Blattwerk schimmerte hell wie Geldtaler.
Der Untergrund war uneben. Schon erschien der Muldenrand. Er wirkte wie der Einstieg zu einem gewaltigen Trog.
Trotz der Schaukelei ging es Lisa allmählich besser. Sie war wieder in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, und sie erinnerte sich vor allen Dingen.
Das Zimmer, das offene Fenster, der Schatten im Garten, dann dieser Angriff aus dem Dunkeln, dem sie nichts entgegenzusetzen gehabt hatte. Es war auf einmal da gewesen, das Zusammendrücken der Kehle, die verdammte Schlinge, und noch jetzt spürte sie den Druck an ihrem Hals.
Sie war noch da!
Lisa bekam es mit der Angst zu tun. Ihr Entführer hielt das Ende der Schlinge in der Hand. Wann immer es ihm einfiel, konnte er sie zusammenziehen und ihr damit einen furchtbaren Tod bereiten.
Angst flog durch ihren Kopf.
Sie öffnete weit die Augen. Mit dem Gesicht befand sie sich dem Entführer zugewandt und konnte seine Beine sehen, die sich ihrer Meinung nach hektisch bewegten.
Er sprang über Unebenheiten am Boden hinweg. Sie vernahm nicht seinen Atem, hörte ihn manchmal keuchen und knurren und nahm vor allen Dingen seinen Geruch auf.
Stanken so Leichen?
Lisa war in einer Welt der extremen Wohlgerüche aufgewachsen.
Sie kannte die teuren Parfüms und Duftwässerchen, all die Sprays und Pflegemittel, aber niemals zuvor hatte sie einen dermaßen widerlichen Geruch einatmen müssen.
Daran konnte man ersticken…
Deshalb hütete sie sich auch, den Mund weit zu öffnen. Wenn möglich, atmete sie nur durch die Nase.
Vor ihr flatterten die weiten, schmutzigen Hosenbeine des Gnoms.
Gehört hatte sie oft genug von diesem Vampir-Zwerg mit dem Namen Zumbra. Nun aber befand sie sich zum erstenmal in seiner Gewalt und spürte etwas von dem Schrecken, der sie festhielt und der auch noch auf sie zukommen würde.
Was sie hier erlebte, war erst der Beginn.
Zumbra blieb stehen. Er hatte sich dafür eine besondere Stelle ausgesucht,
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