0549 - Amors Teufelspfeile
damit rechnen mußte, daß sich dieser verdammte Amor irgendwo verborgen hielt und nur auf mich lauerte.
Ich ging nicht in Deckung und setzte meinen Weg fort. Diesmal lief ich geduckt, suchte den Schatten, der dick wie Teer zwischen den einzelnen Lichtinseln lag. Bill hatte bei seiner überstürzten Fahrt die Außenbeleuchtung brennen lassen.
Für mich ein Nachteil. Den Weg hatte ich längst verlassen. Meine Füße liefen über weichen Rasen. Ich passierte die hellen Steine, einen kleinen Brunnen, ich glitt an Heckenzweigen vorbei und schaute mich stets nach allen Seiten um, wobei ich auch nicht vergaß, in den dunklen Himmel zu sehen. Ein fliegender Gegner war mir in gewissen Dingen immer über.
Der teuflische Amor hielt sich zurück. Des öfteren kroch eine Gänsehaut über meinen Rücken, wenn ich daran dachte, daß sich dieser kleine Satan lautlos über mir bewegen und seinen Pfeil abschießen konnte, ohne daß ich es merkte.
Nicht mehr weit vom Haus entfernt blieb ich stehen. Das Kreuz hatte ich in die Tasche gesteckt. Ich sah die Breite des Bungalows vor mir und auch die Lichtfülle vor der Haustür, da die Außenbeleuchtung brannte. Nur von Johnny oder Nadine entdeckte ich nichts. Die beiden blieben ebenso unsichtbar wie der teuflische Amor.
Die letzten Minuten hatten mich angestrengt. Ich wischte mir das Gesicht mit dem Taschentuch trocken. Daß ich ins Haus mußte, war klar. Ich schätzte diesen kleinen Amor so brutal ein, daß er selbst auf ein Kind keine Rücksicht nahm.
Wo steckte er?
Eine halbe Minute war verstrichen. Nur die Zweige bewegten sich im Wind. Ansonsten wirkte der Garten wie erstarrt, wobei ich mich ebenfalls dazu zählte.
Ich löste mich aus dem Schutz. Gut zehn Schritte waren es noch bis zur Haustür. Ich hielt mich rechts von ihr und dem dorthin führenden Weg auf. Parallel zu ihm huschte ich auf die Tür zu.
Es war vielleicht der Instinkt, der mich dazu getrieben hatte, den Blick zu erheben, und es war gleichzeitig mein Glück, denn der kleine Teufel stand über der Haustür auf dem Dach. In einer Haltung, die darauf hindeutete, daß ein zweiter Pfeil auflag.
Er schoß.
Schräg fauchte der Pfeil heran und war kaum von der Sehne geschnellt, als er eine dunkelrote Farbe annahm.
Auch diesmal hätte er mich erwischt, aber ich war schneller, sprang zur Seite und wartete darauf, daß der Pfeil in zwei Schritten Entfernung links von mir in den Boden drang.
Leider geschah das nicht.
Ich mußte auf ihn wirken wie ein Magnet, denn er drehte plötzlich ab und folgte mir. Über die Zweige eines tulpenartig wachsenden Strauchs huschte er hinweg, um mich aufs Korn zu nehmen.
Mit einer Kugel konnte ich da nicht viel ausrichten, ich mußte das Kreuz nehmen und gratulierte mir dazu, daß es in der Tasche steckte, aus der ich es gedankenschnell hervorholte.
Wieder kam es auf Sekunden an. Ich ging volles Risiko ein, als ich mich in die Flugbahn des Pfeils stellte, allerdings das Kreuz in der vorgestreckten Hand haltend.
Diesmal bekam ich den Vorgang voll mit. Der Pfeil wich nicht aus, er nahm den direkten Kurs, und geriet in die magische Aura, die plötzlich da war.
Eine Schranke aus Licht, in die der Pfeil hineinjagte und dabei innerhalb kürzester Zeit sprühend verglühte.
Wieder war ich Sieger geblieben.
Über den Strauch schaute ich hoch zum Hausdach, wo sich der teuflische Amor aufhalten mußte.
Er hatte es vorgezogen, den Platz zu wechseln. Wo er sich jetzt befand, entdeckte ich leider nicht.
Der zweite Schuß aber hatte mir gezeigt, daß Amor nicht gewillt war, aufzugeben. Ausgerechnet er, den die alten Römer als den Gott der Liebe gekürt hatten.
Aus ihm war ein Todesgott geworden. Vielleicht durch die Hilfe des Teufels, denn die äußeren Merkmale wiesen tatsächlich darauf hin. Von ihm war nichts mehr zu sehen.
Ich wollte auch die letzte Strecke so schnell wie möglich hinter mich bringen und huschte geduckt auf das Haus zu. Zweimal schaute ich dabei zurück, weil ich auf keinen Fall einen Schuß in den Rücken abbekommen wollte.
Amor hielt sich zurück. Ich erreichte ohne Schwierigkeiten die Tür und klingelte.
Wenn Johnny noch auf den Beinen wahr, mußte er mich hören.
Auch Nadine würde reagieren.
Niemand kam, um zu öffnen.
Ich holte den Schlüssel hervor und hatte kaum das Schloß berührt, als ich im Innern des Hauses die wilden Schreie hörte…
***
Bill Conolly saß auf der Wartebank, obwohl er am liebsten in den OP gerannt wäre, um seiner Frau zu helfen.
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