0549 - Des Teufels Traum
seiner Untertanen genommen wurde, der zu dumm war, sich gegen seine Feinde durchzusetzen - nun, etwas Schwund hatte man immer und überall…
Aber jetzt hatte es ihn selbst getroffen.
Er lebte noch, existierte noch. Doch ein anderer hatte ihm genommen, was ihm sehr viel bedeutete. Und er hatte nichts dagegen tun können. Nicht einmal mit der Alten Kraft.
Das schmerzte. Und auch, daß Lucifuge Rofocale sich zu seinem Feind erklärt hatte.
»Es wird nicht dabei bleiben«, murmelte Sid Amos. »Ich werde mir zurückholen, was mein ist - und zur Not werde ich dich dabei auslöschen. Einmal hast du mich überraschen können. Beim nächsten Mal wirst du der Überraschte sein…«
Nur wie er das anstellen sollte, konnte er beim besten Willen noch nicht sagen. Darüber mußte er erst noch nachdenken.
***
»Geh mir aus dem Weg«, verlangte Julian.
Aber Shirona wich nicht zur Seite, diese blonde, schlanke Frauengestalt mit dem lang wallenden Haar und dem eng anliegenden roten Overall. Sie sah aus wie beim ersten Mal, als sie in einen seiner Träume eingedrungen war. Damals, als er noch experimentierte, seine eigene Stärke noch nicht kannte und sie erst noch erforschen mußte. Ausgerechnet in einer seiner spätpubertären Machtfantasien war sie auf ihn gestoßen.
Nicht, daß es ihn heute noch störte, er konnte damit leben. Damals hätte er sie am liebsten umgebracht, aber seitdem hatte er dazugelernt. Vor allem hatte er gelernt, seine eigenen Schwächen zu akzeptieren und sie dadurch zu seiner Stärke zu machen. Solange er wußte, was er sich selbst wert war, konnte ihn ein solches Eindringen in seine Fantasieräume nicht mehr stören.
»Zur Seite«, verlangte er, nun schon etwas schroffer.
Doch Shirona blieb.
Als er jetzt versuchte, sie zu ignorieren und einfach um sie herumzugehen, bewegte sie sich und stellte sich ihm erneut in den Weg.
Er vergrößerte die Brücke. Es kostete ihn nur einen Wunsch.
Aber so breit er sie auch machte, Shirona trat ihm immer wieder entgegen.
Plötzlich war sie zum Alptraum in seinem Traum geworden.
Er versuchte sie mit Magie zur Seite zu schieben. Aber sie wich immer noch nicht. Überrascht stellte er fest, daß sie an Kraft gewonnen hatte.
Blitzschnell tastete er mit geistigen Fühlern nach ihr und versuchte das Kraftpotential in ihr zu ergründen.
So, wie er im Laufe der Zeit hinzugelernt hatte, mußte auch sie sich verändert haben; sie war stärker geworden. Er war in diesem Moment nicht mehr in der Lage, ihr Potential in voller Stärke zu erfassen. Er konnte es nur gewissermaßen ankratzen. Augenblicke später schirmte sie sich bereits ab und warf seine geistigen Fühler auf ihn selbst zurück. Sein eigenes Echo ließ ihn taumeln.
»Was soll das?« fragte er zornig. »Was willst du von mir? Warum drängst du dich schon wieder in mein Leben?«
»Vielleicht, um dir dieses Leben zu retten«, sagte Shirona ruhig.
Er stutzte. »Was willst du damit sagen?«
Forschend sah er sie an. Die Art, wie sie gesprochen hatte, machte ihn nachdenklich. Es klang weder nach einem Scherz noch nach einem Bluff. Offenbar meinte sie, was sie sagte, ernst. Er hatte trotz ihrer übermächtigen magischen Kraft nicht den Eindruck, daß sie versuchte, ihn zu täuschen.
»Wenn du diesen Weg weitergehst, wirst du sterben«, sagte sie.
Er runzelte die Stirn. Er war noch zu jung, um einen Gedanken an den Tod zu verschwenden. Der war noch weit von ihm entfernt. Außerdem war er kein normaler Mensch, sondern ein magisches Wesen. Für ihn galten die normalen Gesetze von Leben und Sterben ohnehin nicht.
»Du wirst melodramatisch«, sagte er mit mildem Spott. »Sterben müssen wir alle einmal. Dummerweise ist das Leben selbst der Grund dafür. Im Regelfall endet es tödlich, und ich habe bisher noch nicht von einer Ausnahme gehört. Selbst Merlin und Asmodis sind nicht wirklich unsterblich. Man kann sie töten.«
»Wie dich.«
Er winkte ab. »Das hat bisher noch keiner geschafft. Okay, ich gebe zu, daß ich mir eine Menge Todfeinde geschaffen habe. Aber sie alle zusammen sind nicht stark genug, mich zu töten, sonst hätten sie es längst getan. Sie können mich ja nicht einmal finden. Sie müssen zu üblen Tricks greifen, um mich anzulocken. Wie sollen sie mich da töten können? Bisher sind sie noch immer gescheitert. Selbst so mächtige Dämonen wie Astardis, Astaroth und Sarkana.«
»Es gibt jemanden, der dich jederzeit aufspüren kann, ganz gleich, wo du dich befindest«, widersprach Shirona.
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