0549 - Des Teufels Traum
Sie zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: »Mich. Oder habe ich dich etwa nicht aufgespürt? Ich bin sogar in deinen Traum vorgestoßen.«
»Willst du damit andeuten, daß du versuchen willst, mich zu töten?« Er lachte auf. »Das kannst du nicht ernst meinen. Dazu bist du auch jetzt noch nicht stark genug.«
»Wenn ich du wäre, würde ich es nicht auf einen Versuch ankommen lassen«, warnte Shirona. »Ich will dich nicht töten. Ich will eher verhindern, daß du getötet wirst. Aber wenn du diesen Weg weitergehst, wirst du sterben!«
»Und wer ist der Feind, der mich töten wird? Überhaupt - woher willst du wissen, wohin ich gehen will?«
»Ich weiß, wohin du gehen wirst, wenn du nicht von deinem Plan abläßt. Das Ziel ist wichtig, nicht die Zwischenstation.«
Sie muß verrückt sein, dachte er. Oder sie weiß etwas, das ich nicht weiß…
»Kannst du etwa in die Zukunft sehen?«
»Die Zukunft? Was ist das? Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit - existiert nicht alles gleichzeitig? Sind es nicht alle drei Aggregatzustände der Wirklichkeit?«
»Geh mir jetzt endlich aus dem Weg, plage dich weiterhin mit Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit herum und werde darüber meinetwegen schizophren!«
»Ich habe dich gewarnt«, sagte sie. »Kehre um, oder du wirst sterben.«
Er ging einfach auf sie zu, vergrößerte dabei die Masse seines Körpers - und schob Shirona zur Seite, die damit nicht gerechnet hatte. Sie konnte dieser einmal in Bewegung geratenen Masse augenblicklich nichts entgegensetzen.
Sie taumelte.
Julian reduzierte seine Masse wieder auf das Normalmaß, dann setzte er seinen Weg über die Traumbrücke fort.
Er fühlte, wie nah das Château bereits war. Jeden Moment mußte er es betreten.
Da löschte Shirona seinen Traum!
***
Die Tür wurde aufgestoßen.
Etwas Unförmiges kam herein.
Unwillkürlich wich Teri bis zur Wand zurück, stieß gegen irgend etwas.
Dann flammte Licht auf.
Die offene Tür wurde von einem Rollstuhlfahrer versperrt. Maurice Cascal!
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?« stieß er hervor.
In seiner linken Hand entdeckte Teri eine entsicherte Pistole. Eine Beretta F 92.
Für einen Mann, der durch seinen Rollstuhl gehandicapt war und dadurch nur wenig Möglichkeiten besaß, eine so große Pistole unauffällig zu verbergen, eine ungewöhnliche Waffe.
»Überhaupt, wie sind Sie hier hereingekommen?« fuhr Maurice mißtrauisch fort. Er sah, daß das kleine Fenster des Kellerzimmers nach wie vor geschlossen war.
Die Kobra-Druidin hob die Hände.
»Ich bin Teri Rheken. Sie müssen Maurice sein. Ihre Schwester dürfte mich kennen. Sie schläft nebenan, nicht wahr?«
Der Contergan-Geschädigte schmälte die Augen. »Sie sind die Druidin?«
Teri nickte.
»Das erklärt, wie Sie hereingekommen sind«, sagte er. »Aber nicht, wieso das verflixte Ding hier auf Sie reagierte. Bei Zamorras Amulett ist das doch anders, das schlägt nur bei Schwarzer Magie Alarm, nicht wahr?«
Jetzt erst entdeckte sie die Silberscheibe, die in seinem Schoß lag.
Das Amulett!
Statt Blut schien Feuer in ihren Adern zu rasen.
Da war das Objekt, das sie an sich bringen wollte!
Ombres Amulett! Der Llyrana-Stern, mit dem sie Ssacah wecken konnte!
Sie brauchte es nur an sich zu nehmen!
Ihre schockgrünen Druiden-Augen begannen zu leuchten.
Maurice nahm die Veränderung wahr. »Was ist mit Ihnen?« fragte er leise. »Ist etwas nicht in Ordnung? Aus welchem Grund sind Sie hierher gekommen?«
Teri war wie betäubt.
Das Amulett war zum Greifen nah…
Wieso packte sie nicht einfach zu und verschwand damit? Was hinderte sie daran?
Auch die Schlange drängte wieder in ihr.
Es ist so einfach! Schleudere ihm den Ssacah-Ableg er entgegen! Er kann nicht fliehen! Die Messing-Kobra wird ihn beißen und den Keim an ihn weitergeben! Wieder ein Ssacah-Diener mehr auf dieser Welt!
Aber sie wehrte sich gegen den Zwang. Sie war stark genug dafür. Nicht Ssacah beherrschte sie, sondern sie beherrschte den Ssacah-Keim. Das mußte auch künftig so bleiben.
Doch irgendwie spürte sie, daß sie dazu ihrem ursprünglichen Ich treu bleiben mußte. Nur das gab ihr die Kraft, dem Dämonischen in ihr Widerstand zu leisten. Dann aber konnte sie das Amulett nicht einfach an sich nehmen. Selbst wenn sie definitiv wußte, daß Ombre es loswerden wollte, mußte sie darum bitten.
Sicher würde Maurice es ihr geben.
Er senkte die Hand mit der Beretta und versuchte die große Waffe irgendwie zu verstauen.
»Seien Sie
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