0550 - Merlins Stern
handelte oder um einen anderen Dämon.
»Gehen wir hinaus und schauen ihn uns an«, sagte Zamorra.
***
Der Erzdämon interessierte sich für das merkwürdige Wesen, das er mit seinem magischen Angriff von der Mauer heruntergeholt hatte. Kreaturen dieser Art durften hier eigentlich gar nicht existieren. Sie gehörten, wenn er sich recht entsann, ins sogenannte »Drachenland«, in eine andere Dimension, die vor langer Zeit einmal Kontakt mit einem Teil der Erde gehabt hatte. Aber das war lange her, und in dieser Zeit war die chinesische Drachenverehrung entstanden.
Dieses Geschöpf war jedoch kein chinesischer »Glücksdrache« der bekannten Art, wie sie auf Tuschezeichnungen, in Aquarellen und mit Skulpturen im »Reich der Mitte« dargestellt wurden. Das hier war eher ein Drachenkind.
Nichtsdestoweniger - auch die Drachenkinder waren gefährlich.
Natürlich nicht für ihn, Lucifuge Rofocale. Aber es gab ihm zu denken, daß ein solches Geschöpf sich ausgerechnet in Zamorras Château aufhielt. Welche Kontakte hatte der verfluchte Dämonenjäger hier geknüpft? Hatte er einen Zugang ins Drachenland gefunden? Und - wo war der alte Drache? Zu jedem Jungdrachen, der seine Metamorphose noch nicht hinter sich gebracht hatte, gehörte auch ein Elternwesen. Lucifuge Rofocale konnte sich nicht vorstellen, daß das Drachenkind allein zur Erde gekommen war.
Er wußte nicht viel über das Drachenland, aber das waren immerhin selbst ihm bekannte Tatsachen.
Vorsichtshalber hatte er den Jungdrachen erst einmal ausgeschaltet, weil er erkannte, daß dieser seine Tarnung sofort durchschaute.
Es war ihm lieber, diese Kreatur in seiner unmittelbaren Nähe zu haben.
Vielleicht benötigte er sie ja noch als Geisel.
***
»Dort«, sagte Teri Rheken.
Sie waren in den Vorhof getreten. Die goldhaarige Druidin gab die Richtung an, und so standen sie schließlich im Tor vor der hölzernen Zugbrücke über einen trockenen Graben, der selbst vor Jahrhunderten allenfalls der Dekoration gedient hatte - einen umfassenden Burggraben an einem Berghang anzulegen und funktionieren zu lassen, war selbst dem Schwarzmagier Leonardo deMontagne niemals gelungen. Naturgesetze hatte auch er nicht dauerhaft außer Kraft setzen können.
Teri streckte den Arm aus. Sie deutete auf das abschüssige Gelände. Dort saß ein alter Mann auf einem Baumstumpf.
Aber das war nicht alles.
Eine dunkle große Masse lag neben ihm am Boden.
Fooly!
»Das ist kein alter Mann«, sagte Teri leise. »Oder zumindest nicht nur. Von ihm kommen die bösen Gedanken.«
Zamorra starrte die beiden so ungleichen Wesen an. Auch er fühlte jetzt die düstere Drohung, die von dem alten Mann ausging, obwohl der so ruhig und friedlich scheinend auf dem Baumstumpf saß.
Ja, er war alt. Viel älter, als jeder Mensch es jemals werden konnte.
Und er war ein Dämon.
»Lucifuge Rofocale!«
Teri nickte.
»Er ist es.«
»Aber wieso hat er Fooly in seiner Gewalt? Wie kommt der Drache dorthin?« stieß Nicole überrascht hervor.
»Vielleicht ist unser kleiner Freund und Schloßbajazzo, ahnungslos nach draußen geflattert, direkt in Lucifuge Rofocales Klauen. Draußen schützt ihn die M-Abwehr nicht mehr«, überlegte Zamorra.
Er schloß die Augen. Da war noch etwas. Er konnte es fühlen. Etwas stimmte nicht, und es hatte mit dem Schutzfeld zu tun.
Sein eigener Gedanke hatte ihn darauf gebracht! Die weißmagische Kuppel, die sich über Château Montagne spannte, war in Gefahr!
»Er hat das sechste Amulett«, sagte Teri Rheken im gleichen Moment. »Ersetzt es ein. Und nicht nur das sechste! Er hat - er hat sie alle…«
Zamorra fuhr herum. »Was sagst du da? Alle Amulette?«
»Ja«, flüsterte die Druidin. »Ich kann sie spüren. Er setzt sie ein. Es ist ein pausenloser, ungeheurer Energiefluß. Fühlst du es nicht selbst?«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Ich besitze leider nicht deine Fähigkeiten.«
Auch Nicole verneinte.
Aber Zamorra begann plötzlich etwas zu ahnen. »Er setzt sie ein«, wiederholte er Teris Worte. »Doch nicht etwa gegen das Schutzfeld?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Teri. »Ich fühle nur die gewaltige Energie. Und… da draußen geschieht etwas. Etwas, das ich nicht begreife. Da ist…«
»Was?« hakte Zamorra nach.
Die Silbermond-Druidin stöhnte auf. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich… ich fühle, daß ich es kenne, aber… es ist etwas… nein!«
Sie zuckte heftig zusammen, ging rückwärts ein paar Schritte zurück in Richtung
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