0550 - Merlins Stern

fühlte er, daß etwas nicht stimmte. Aber was?
    Ein Fremder kam hier nicht herein. Selbst gegen die Unsichtbaren, die es einmal geschafft hatten, vermittels der Regenbogenblumen einzudringen und gegen die die M-Abwehr alleine nichts nutzte, gab es inzwischen magische Sperren.
    Weshalb also dieses Gefühl?
    Es signalisierte auch nicht wirklich Gefahr. Es war nur etwas… anderes.
    Vorsichtig ging er zum Safe hinüber, der sich hinter der Tapete verbarg. Die Tür war so sauber eingepaßt, daß sie praktisch fugenlos mit der Wand abschloß. Nur wer genau wußte, wo sich der Safe befand, entdeckte ihn - andernfalls mußte er die gesamte Wand abklopfen.
    Neben der Safetür befand sich, ebenfalls unter der Tapete, eine Schaltfläche mit Sensortasten, in die Zamorra jetzt die entsprechende Zahlenkombination eingab, die den Safe für genau drei Sekunden öffnete. Das reichte für jemanden, der genau wußte, wo was im Safe lag. Danach schloß eine Automatik die Safetür wieder, ganz gleich, ob sich noch eine Hand dazwischen befand oder nicht. Traf sie dabei auf Widerstand, gab es gleichzeitig Alarm in Feurs, der nächstgrößeren Ortschaft mit eigenem Polizeiposten. Innerhalb von zwölf bis fünfzehn Minuten konnte die Polizei vor Ort sein; der Notarzt sicher etwas schneller.
    Jetzt schwang die Safetür auf, und dann…
    Unwillkürlich schrie Zamorra auf.
    Eine gleißende Lichtflut raste ihm entgegen, gefolgt von einer glühenden Hitzewelle!
    Geblendet wich er zurück. Als Licht und Hitze verflogen, schloß sich die Tür bereits wieder.
    Der Parapsychologe murmelte eine Verwünschung. Das war es also, wovor sein Unterbewußtsein ihn gewarnt hatte!
    Er war sicher, daß das Amulett diese Effekte ausgelöst hatte. Das Zauberschwert Gwaiyur war zu solchen Aktionen nicht fähig, die Strahlwaffen würden höchstens explodieren, und ein durchdrehender Dhyarra-Kristall gehörte ins Reich der Gruselgeschichten, mit denen Angehörige der DYNASTIE DER EWIGEN ihren Kindern Angst einzujagen versuchten.
    Merlins Stern also…
    Zamorra wiederholte die Eingabe, und erneut öffnete sich die Tür.
    Diesmal schlug ihm keine Flut aus Hitze und Licht entgegen, doch er ließ die vorgegebenen drei Sekunden verstreichen, ohne nach Merlins Stern zu greifen. Die Safetür schloß sich wieder, und zum drittenmal wiederholte er den Vorgang. Auch jetzt nutzte er die drei Sekunden nur dazu, um in den Safe zu blicken, um zu erkennen, was sich darin tat.
    Erst beim viertenmal griff er nach dem Amulett.
    Etwas stimmte nicht. Etwas war anders.
    Noch bevor er die Hand ganz zurückgezogen hatte, begann die Safetür wieder zurückzuschwingen.
    Um ein Haar hätte es ihm die Hand abgetrennt…
    Er war zu verblüfft gewesen von dem Gewicht des Amuletts. Er schaffte es gerade, es bis nach vorne zu ziehen, dann hatte er loslassen müssen. Beim nächsten Versuch holte er es sich.
    Im Safe war es unglaublich schwer gewesen!
    Auch jetzt war es noch schwerer als normal, aber noch während Zamorra es in beiden Händen hielt, reduzierte sich das Gewicht rasend schnell. Jetzt hatte es wieder sein gewohntes Gewicht.
    Wie war das möglich?
    Wie konnte die handtellergroße Silberscheibe mit den hieroglyphenartigen Schriftzeichen ihr Gewicht so spontan verändern? Zamorra war absolut sicher, daß er keiner Täuschung unterlegen war. Das Amulett war eben noch unglaublich schwer gewesen!
    Er legte es auf den Arbeitstisch, öffnete den Safe ein weiteres Mal und nahm den Dhyarra-Kristall und drei Strahlwaffen heraus - je eine für sich, Nicole und Teri.
    Er öffnete sein Hemd, um das Amulett am silbernen Halskettchen festzuhaken.
    Und jetzt war es ihm, als sei es wieder schwerer geworden.
    ***
    Mit dem alten Mann stimmte irgend etwas nicht. Das lag nicht nur an der Kraft, die von ihm ausströmte und die nach Château Montagne griff. Es hing mit ihm selbst zusammen.
    Oder vielleicht auch nicht…?
    Fooly sah genauer hin. Bestand dieser Mann nicht aus insgesamt drei Personen?
    Der Drache versuchte sie zu differenzieren.
    Die eine Erscheinungsform war die des alten Mannes. Ein wenig gebeugt, mit faltiger Haut und grauem, schütterem Haar. Er trug vorwiegend erdfarbene, abgewetzte Kleidung. Aber in seinen Augen glomm gelbes Feuer, wie Fooly es nur von der Panzerhornschrexe her kannte, aber von keinem der Menschen, die er bisher gesehen hatte.
    Zugegebenermaßen waren das nicht sehr viele…
    Hinter dieser menschlichen Erscheinung verbarg sich eine zweite Gestalt, wie ein Bild im Bild.