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0553 - Geisterstunde

0553 - Geisterstunde

Titel: 0553 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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unser aller Verhalten, unsere Reaktionen. Man kann die seltsamsten Dinge erleben, sie werden Realität, wenn unsere Fantasie stark genug dafür ist. Wir habens ja auch an Bo Vinerichs Liedern gesehen. Die darin beschriebenen Gestalten wurden Wirklichkeit.
    »Aber das war ein Ausnahmefall«, sagte Nicole.
    Wer weiß? Vielleicht gibt es mehr Ausnahmefälle, als du ahnst. Vielleicht ist es auch nur die Fantasie an sich , die etwas geschehen läßt.
    »Und?« hakte Nicole nach.
    Da begann der Wolf telepathisch zu erzählen…
    Der Beobachter
    Stell dir vor, du bist ein Dieb, ein Einbrecher.
    Seit Tagen schon beobachtest du die Villa draußen am Rand der Stadt. Der Besitzer ist in Urlaub gefahren, das Haus steht leer. Du weißt, daß sich niemand um das Anwesen kümmert, und du weißt, daß sich hinter den Mauern schier unermeßliche Reichtümer und Schätze verbergen. Du wärst ein Narr, würdest du sie dort liegen lassen…
    Du hast dir alles gründlich überlegt, alles geplant, alle Risiken abgewägt.
    Risiken? Es gibt keine Risiken. Nicht einmal eine Alarmanlage! Welch ein Leichtsinn!
    Und so steigst du am Abend ein. Zu deiner Verwunderung ist eines der Fenster im Parterre nicht verschlossen, nur angelehnt. Aber warum nicht? Manche Menschen sind eben vergeßlich.
    Ihr Pech, dein Glück.
    Vorsichtig siehst du dich im Lichtschein der Taschenlampe um. Der Lichtkegel wandert durch das leere Zimmer und bleibt auf einer kleinen Figur haften, die auf einem Halbschrank steht. Lebensecht wirkt sie; die Figur eines Raben mit kohlschwarzem Gefieder und schwarzen Knopfaugen.
    Sekunden später weißt du, daß du dich getäuscht hast. Das ist keine Figur! Der Rabe lebt, er ist echt!
    Ganz langsam dreht er den Kopf, um dich besser sehen zu können.
    Himmel! denkst du. Hoffentlich schlägt das schwarze Vieh keinen Lärm, der die Nachbarn aufmerksam macht! Die würden sofort die Polizei holen!
    Du weißt, welch höllischen Radau ein Rabe zu entfesseln in der Lage ist. Er kann eine Alarmanlage durchaus ersetzen…
    Aber er tut es nicht; er tut überhaupt nichts.
    Er hockt nur still da und beobachtet dich.
    Seine schwarzen Augen verfolgen jede deiner Bewegungen.
    Der Rabe beobachtet aufmerksam, wie du einen wertvollen Gegenstand nach dem anderen in dem bereitgehaltenen Beutel verschwinden läßt. Ob er ahnt, was hier geschieht? Stumm sieht er dir bei deiner verbrecherischen Tätigkeit zu.
    Schließlich hast du genug zusammengerafft, mehr kannst du nicht tragen.
    Aber vielleicht wirst du in der nächsten Nacht wiederkommen…
    Du gehst zum Fenster und willst wieder nach draußen klettern.
    Aber das Fenster läßt sich nicht öffnen.
    Du bist überrascht. Es war doch angelehnt, als du kamst, und du hast es nicht geschlossen. Warum auch? Jetzt jedoch ist es zu!
    Du überlegst fieberhaft. Ist doch noch jemand außer dir im Haus? Aber es kann nicht sein, du bist überall gewesen und hättest es unweigerlich bemerken müssen.
    Du umfaßt den Fenstergriff, versuchst ihn zu bewegen, aber es geht nicht.
    Wütend rüttelst du an dem Fenster, doch bei aller Kraft bekommst du es nicht auf. Da trittst du an das nächste, aber auch das läßt sich nicht öffnen, kein einziges. Die Griffe sind unbeweglich, wie festgerostet.
    Nein, schlimmer, als wären es Attrappen!
    Du versuchst es mit der Haustür.
    Du versuchst es über die Dachbodenluke. Die Kellerfenster.
    Du nimmst einen schweren Gegenstand, schmetterst ihn mit aller Kraft gegen das Fensterglas.
    Es zerbricht nicht!
    Du findest im Keller Werkzeug und versuchst Türen und Fenster gewaltsam aufzubrechen.
    Es gelingt dir nicht!
    Du bist eingeschlossen. Das Haus ist eine perfekte Falle, ein unentrinnbares Gefängnis. Der Morgen kommt und mit ihm die Angst.
    Und auf dem Schränkchen sitzt immer noch der Rabe und sieht dir zu.
    ***
    Am nächsten Tag kannst du das Zimmer nicht mehr verlassen, in dem du für ein paar Stunden unruhigen Schlaf gefunden hast. Die Tür, die du offengelassen hast, ist verschlossen.
    Du probierst alles mögliche, versuchst das Schloß herauszubrechen und sogar die Angeln aus dem Rahmen zu wuchten, aber nichts gelingt dir.
    Und auf dem Schränkchen sitzt der Rabe und sieht dich aus seinen schwarzen Knopfaugen unverwandt an.
    ***
    Am dritten Tag kannst du dich nicht mehr aus dem Sessel erheben, in dem du genächtigt hast. Du bist wie gelähmt, von panischer Angst zerfressen.
    Und der Rabe sitzt schweigend und unbeweglich auf dem Schränkchen.
    ***
    Am vierten Tag sitzt der Rabe

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