0553 - Totenlade mit dem Satan
wollte die Kegelschwestern aber nicht dürsten lassen und nahm selbst das Tablett. Vorsichtig schritt sie die Treppe hinab.
Ann und Biggy schauten sie erstaunt an, als die den Kegelraum betrat und das Tablett abstellte.
»Wo ist denn Tessy?«
Rose hob die Schultern. »Ich habe sie nicht gesehen, Biggy.«
»Das ist seltsam!« flüsterte Ann. »Erst die Tür, dann Tessys Verschwinden.«
»Aber gezapft hat sie.« Biggy deutete auf die Gläser. »Vielleicht ist sie mal zur Toilette gegangen.«
»Hoffentlich«, sagte Rose.
»Wie meinst du das denn?«
»Ach, nur so.«
Die Freundinnen prosteten sich zu und nahmen die ersten Schlucke. »Ziehen wir die Totenlade trotzdem durch?« fragte Ann und schaute die Kegelschwestern fragend dabei an.
Sie waren dafür.
»Dann fange ich an.« Anne schob ihren Stuhl zurück. Sie hatte vier Punkte auf die Tafel gemalt und die Namen darüber geschrieben.
»Wie spielen wir denn? Abräumen oder in die vollen?«
»In die vollen!« riefen Biggy und Rose.
»Okay, dann los.« Ann kegelte zuerst. Diesmal rollte die Kugel nicht so gut. Sie landete in der Gasse. »Mist auch!«
»Die Kallen-Queen ist wieder am Werk!« rief Rose, die Biggy den Vortritt gelassen hatte.
Ann drehte sich um. »Gib du nur acht, daß du nicht über Kunstrasen kegelst.«
Biggy Capper hatte inzwischen Anlauf genommen. Sie wollte in die rechte Gasse kegeln, um möglichst viele Puppen schmeißen zu können. Die dunkelgrüne Kugel kam gut auf, bekam auch den nötigen Drall, um das Ziel zu treffen – und rauschte hinein.
Sechs, sieben – nein, acht Kegel kippten. Der neunte wackelte zwar, aber fiel nicht.
»Los, fall auch um!« rief Biggy, doch die Figur tat ihr den Gefallen nicht.
Rose Darker war schon aufgestanden. »Jetzt mußt du dich aber anstrengen«, sagte Biggy.
»Eine meiner leichtesten Übungen.« Rose stand vor dem Band mit der Glocke und wartete.
»Willst du festfrieren?« rief Ann.
»Ich nehme die gleiche Kugel.«
»Die hätte schon zurück sein müssen.«
»Ist sie aber nicht.«
»Vielleicht hat sie sich verhakt.«
»Ich habe eben zu gut geworfen!« rief Biggy.
»Wartet, ich sehe mal nach.«
Links der Bahn führte ein schmaler Weg bis zu einer kleinen Tür, durch die man den hinteren Teil der Bahn betreten konnte, wo sich auch die Automatik befand.
Rose wollte die Strecke zurücklegen. Biggy und Ann unterhielten sich gedämpft, so daß ihre Stimmen für Rose allmählich versickerten und sie sich auch auf andere Geräusche konzentrieren konnte.
Sie hörte ihre eigenen weichen Schritte und dazwischen das Knacken. Es paßte nicht hierher, als wäre jemand dabei, Holz aufzureißen. Verwirrt blieb sie stehen.
»Was ist?« rief Ann. »Weshalb gehst du nicht weiter?«
Rose Darker gab keine Antwort. Dafür streifte ihr Blick über das helle Parkett der Bahn.
Da sah sie es. Etwa in der Mitte zeigte die glatte Fläche eine Veränderung. Aus der Tiefe her mußte die Kraft gekommen sein, und sie hatte es geschafft, das harte Parkett zu zerstören. Ein Riß war entstanden, eine Lücke.
Aus dieser Öffnung wuchsen wie krumme, knotige Gichtfinger schwarzbraune Wurzelstränge…
***
Noch immer schien das fahle Mondlicht durch das schräge Dachfenster in den Raum. Es war einfach zu wenig, um Genaueres erkennen zu können, aber ich sah trotzdem, daß sich die schattenhaften Gestalten der Leichen verändert hatten.
Sie waren in Bewegung geraten!
Tausend Gedanken schossen mir innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf. Hatten wir uns geirrt? Hatten wir es vielleicht mit Zombies, lebenden Leichen zu tun?
Ich fand keine Antwort, aber ich wollte es genau wissen, holte die Lampe hervor und schaltete sie ein. Der Strahl war zwar dünn, aber sehr lichtintensiv, so daß ich genau erkennen konnte, welch ein makabrer und schauriger Vorgang ablief.
Die drei Leichen bewegten sich und bewegten sich gleichzeitig nicht. Sie waren dabei, sich zu verändern oder aufzulösen. Ich konzentrierte mich auf das Gesicht des mittleren, das sich von einem Augenblick zum anderen veränderte.
Da waren die teigigen Wangen nicht nur aufgedunsen, sondern auch aufgebrochen. Aus den Lücken und Löchern schauten kleine Pflanzenreste hervor, die durch einen starken Druck die Haut aufgetrennt hatten und dem selbst die Knochen nicht mehr standhielten.
Die Geräusche draußen, die mich mißtrauisch gemacht hatten, waren das Brechen der Knochen gewesen, die jetzt als dünnes Mehl durch die Lücken quollen und wie feiner Staub dem
Weitere Kostenlose Bücher