0554 - Sie kam von den Sternen
mir, Kevin. Es lauert dort, es steckt dazwischen, es wartet nur darauf, daß es sich befreien kann. Das Böse ist überall. Aber ich werde es ausmerzen, und du, Kevin, kannst dabei sein und zusehen, wie dies alles geschieht.«
»Aber wie kannst du das tun?«
Consuela lachte leise. »Hast du das Buch nicht gelesen, mein Kleiner?«
»Doch, viele Male.«
»Da muß es dich doch überkommen haben. Du hast schon während des Lesens den Kontakt zu mir herstellen können. Du mußtest es bemerkt haben, daß zwischen den Zeilen etwas schimmert, das ich als Flair bezeichnet habe. Ich suche mir genau die Stellen aus, wo ich das Böse vernichten kann. Punktgenau treffe ich sie.«
»Auch jetzt?«
»Ja!« Sie richtete sich wieder auf. »Ich merke, daß gerade in dieser Minute grausame Dinge geschehen. Daß in der Stadt dort unten Menschen sterben. Ich will es verhindern, alles kann ich nicht, aber einige Leben werde ich retten. Und du, Kevin, wirst mir dazu die Kraft geben. Ich, die Prinzessin von den Sternen, bin auf dich angewiesen. Ich habe dich nicht grundlos gesucht und gefunden.«
»Aber was soll ich tun?«
»Es ist ganz einfach. Wir gehören zusammen, und du wirst mir einen Teil von dir selbst geben. In deinem Körper steckt etwas, daß ich sehr gut gebrauchen kann. Es ist ein Stück Seele, verstehst du? Seele von dir, mein Junge. Die Seele eines Menschen, der mir sehr zugetan ist. Seele bedeutet Leben junges Leben und Kraft.« Sie drehte sich so hin, daß sie Kevin anschauen konnte.
Ihre Gesichter befanden sich nur mehr eine Handlänge voneinander entfernt.
Kevin spürte ein körperliches Unwohlsein. Er wollte zurückweichen, die Nähe war ihm nicht mehr geheuer, aber Consuela hielt ihn mit beiden Händen fest, die sie auf seine Schultern gelegt hatte.
»Nein, mein Kleiner, du mußt bleiben. Ich habe dich nicht grundlos mitgenommen. Wir haben einen anderen besucht, den Sohn des Lichts, doch er stemmte sich innerlich gegen mich. Du aber nicht.«
Sie drückte ihr Gesicht noch weiter vor und berührte mit ihren Lippen die Wangen des Jungen.
Kaum Kontakt, hatte Kevin das Gefühl, von etwas Kaltem berührt zu werden. Ein kalter Hauch, fast wie ein Lichtstrahl, so glitten die Lippen der Sternen-Prinzessin über seine Wange.
Sie küßte ihn, aber diese Küsse waren nur mehr ein Hauch, der sich schließlich über das gesamte Gesicht verteilte.
Auch seine Mutter hatte ihn öfter geküßt. Kevin erinnerte sich an die weichen, warmen Lippen, die er als so wunderbar empfand, wenn sie seine Haut berührten.
Das hier war anders.
Nicht grausam, auch nicht abstoßend, dennoch fühlte er sich nicht wohl unter diesen zarten Berührungen. Er glaubte, daß die Fremde etwas von ihm nehmen würde.
»Es ist wunderschön, wenn ich jemanden wie dich habe«, flüsterte Consuela. »Gewisse Dinge sind einfach nötig, verstehst du das, mein kleiner Freund? Du bist jung, aber dein Inneres steckt voller Kraft. Ich möchte, daß du sie mit mir teilst.«
Kevin gab keine Antwort. Regungslos ließ er die Liebkosungen über sich ergehen.
»Jugend, Leben, Frische. All das brauche ich, mein kleiner Freund. Du wirst es mir geben. Du hast deine Eltern verlassen wie ein Brautpaar, das Zusammensein will. Denke daran, daß ich deine Braut bin. Es gibt nicht viel Leben zwischen den Sternen, das Leben aber brauche ich, und so muß ich mir die Kraft woanders herholen. Das verstehst du doch – oder?«
Er gab keine Antwort und wartete, bis die Liebkosungen endlich vorbei waren.
Nach einer kleinen Ewigkeit, so erschien es ihm, richtete sich die Sternen-Prinzessin wieder auf, blieb vor ihm stehen und schaute lächelnd auf ihn nieder. »Ja«, sagte sie. »So ist es gut. So ist es einfach wunderbar, mein Kleiner.«
Er blickte zu ihr hoch. »Was ist denn los?«
»Ich fühle mich stark.«
»Warst du das nicht schon immer?«
»Schon, aber jetzt bin ich noch stärker geworden, da du mir einen Teil von dir gegeben hast.«
»Was denn?«
Sie spitzte den Mund während der Antwort. »Deine Energie, deine Jugend, etwas von deinem Leben. Du mußt gespürt haben, als du das Buch gelesen hast, daß du nur geboren worden bist, um später mir vieles von dir zu schenken, denn ich allein will gerecht sein.«
Die Worte hatten Kevin regelrecht gequält. Es brannten zahlreiche Fragen auf seiner Zunge, nur wußte er nicht, wie er sie stellen und wo er anfangen sollte.
»Ich weiß es wirklich nicht…«
»Dann sieh nach unten.«
»Wieso?«
»Schau auf das Messer,
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