0554 - Sie kam von den Sternen
Lage reichte er jedoch aus, um Rusty zu Boden zu schicken. Er konnte sich noch mit dem Ellbogen abstützen, sein Gesicht schonen, dann gingen für ihn fast die Lichter aus. Er hatte das Gefühl, in einer gewaltigen Woge zu schwimmen, die alles, was ihr in den Weg kam, wegtragen würde.
Die Geräusche nahm er zwar wahr, nur überkam ihn der Eindruck, als würden die Sprecher meilenweit von ihm entfernt stehen und sich über ihn unterhalten.
»Dieser Hund, dieser dreckige!« kreischte Django wütend. »Wollte mich doch tatsächlich fertigmachen!«
»Das machen wir aber jetzt!« keuchte Sweet.
»Kann ich?«
»Nein, Belle, laß ihn!«
»Wieso?«
»Erst später. Er soll etwas davon haben. Los, Sweet, du kannst das Eisen holen!«
»Ich helfe dir!« sagte Belle.
Rusty Long hatte alles mitbekommen. Allein, er konnte nichts für sich tun. Der Treffer hatte ihn zwar nicht bewußtlos werden lassen, aber dennoch so ausgeschaltet, daß er sich im Zustand der Paralyse befand. Einfach groggy, weggetreten, vorbei – aus.
Er vernahm das Schleifen des Eisens über den rauhen Beton und hörte auch wieder das verdammte Klingeln, wenn die Stäbe gegeneinander klangen. Für ihn eine Art von Todesmelodie.
»So«, sagte Sweet und keuchte dabei. »Das wäre geschafft.«
»Ich hole den Draht!« meldete sich Belle.
Long hörte ihn weglaufen. Jetzt wußte er, wie sie, es machen wollten. Draht hielt Eisen besser, Stricke konnten sich auf der doch ziemlich glatten Fläche verschieben, Lücken bilden und sich eventuell lösen. Dieses Risiko wollten sie nicht eingehen.
Noch lag er auf dem Bauch. Django aber bückte sich, umfaßte Rustys Beine und drehte den Körper auf den Rücken.
Der Beamte öffnete die Augen. Djangos gebückte Gestalt sowie sein fettes eingeschmiertes Gesicht ›schwammen‹ über ihm. Mit dem hellen Licht vermischten sie sich zu einer grauweißen Masse.
»Na, wieder da?«
Long gab keine Antwort. Sein Nacken schmerzte, als hätte man dort Sehnen in die Länge gezogen. Auch den ersten Treffer hatte er noch nicht verdaut. Unter seinem Haarschopf tobte eine kleine Hölle, die den Schädel fast sprengte.
Mit einem wütenden Ruck riß ihm Django die Beine auseinander, denn Belle war inzwischen mit dem Draht eingetroffen. »Ei«, sagte er, »das ist ja ein hübsches Drähtchen, einfach wunderbar. So dünn, aber gleichzeitig reißfest. Der hält auch Eisen.«
»Du kennst dich wohl aus, wie?« Rusty mußte sich die Worte einfach abquälen.
»Und wie ich mich auskenne, mein Freund.«
Longs Blick verbesserte sich. Die verdammten Schleier zogen allmählich davon. Gesichter erschienen, die sich ihm entgegensenkten.
Grinsende Münder in widerlich verzogenen Gesichtern. Augen, in denen die Freude über das Kommende leuchtete.
Sweet beschäftigte sich mit dem Eisen; Belle kümmerte sich um den Draht. Django tastete ab und zu nach der getroffenen Stelle. Immer dann, wenn er hinfaßte, überkam ihn die Wut. Da versprach er dem Polizisten die schlimmste Folter, die er sich vorstellen konnte.
Zunächst einmal zündete er sich einen hellen Zigarillo an, an dessen glimmender Spitze sich ein heller Ascherest bildete.
Gelassen schnippte er ihn nach unten, wobei es ihn nicht störte, daß kalte Asche in das Gesicht des Polizisten fiel.
Sweet entwickelte sich zu einem Pedanten. Sehr sorgfältig drapierte er die Eisenstangen neben die beiden Beine des Polizisten. Er teilte sechs Eisenstangen in zwei Hälften auf.
»Meinst du, daß jeweils drei reichen?« fragte er Django.
Der überlegte. Seine Stirn überzog sich dabei mit einem Muster aus kleinen Falten. »Ich würde auf Nummer Sicher gehen und noch zwei dazulegen.«
»Ja, sofort.« Sweet holte neue.
Django schaute auf den Polizisten. Er rieb sich seine Hände. Der dünne Zigarillo klebte in seinem rechten Mundwinkel. Die Augen hatte er leicht verengt. Mit einem zufrieden wirkenden Nicken deutete er an, daß seine Freunde weitermachen konnten.
Sweet hob den Kopf. Mit einer blitzschnellen Bewegung der Zungenspitze leckte er über seine Lippen.
»Den Draht, Belle, Darling. Los, gib den Draht! Wir wollen ihn doch verschnüren…«
Bei Rusty Long stieg die Galle hoch. Jetzt kam die verdammte Angst, vor der kein Mensch gefeit ist.
Und wieder fiel Asche auf sein Gesicht…
***
London lag unter ihm!
Nicht in der Nacht, sondern jetzt am Tag. Der Himmel war auch nicht mehr so klar. Mit der Morgendämmerung waren dünne Wolken aufgezogen, die allerdings einen guten
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