0556 - Odem des Bösen
Vorhaben keinen Erfolg hattest, ist wohl offensichtlich… Cantho befindet sich mit seiner Braut längst im Tempel.«
Nicole nickte.
»Ich war eingekerkert«, sagte sie.
Cali schluckte. Erst jetzt musterte sie Nicoles Kleidung, den Kittel des Torwächters - und entdeckte auch die Waffe.
»Ganz so erfolglos scheinst du allerdings nicht gewesen zu sein«, murmelte sie.
Dann deutete sie auf den Tempel.
»Zamorra ist dort drinnen, der Gnom auch. Noch vor der Morgendämmerung brachte Cantho den Schwarzhäutigen zum Tempel Ich sah es und konnte Zamorra warnen. Nun versucht er, euren Freund zu befreien.«
Die Französin nickte. Das erklärte, warum im Kerker des Moguls weder der Gnom noch Zamorra zu finden gewesen war, aber auch niemand von einer Befreiung gesprochen hatte oder Spuren eines Kampfes zu sehen gewesen waren.
Aber Zamorra schien auch im Tempel auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Inzwischen war eine Menge Zeit vergangen, und nichts war geschehen.
Plötzlich gellten heisere Schreie.
Cali blickte empor, riß einen Arm hoch, und mit der anderen Hand packte sie Nicole. »Sieh dort!«
Nicole sah.
Ein Regenbogen war am hellen Morgenhimmel entstanden. Er berührte den Tempel und spannte sich Richtung Sooyst, dorthin, wo in weiter Ferne das Land Rhonacon lag und der OLYMPOS. Das Ende des Regenbogens, das den OLYMPOS berühren mußte, war nicht mehr zu erspähen.
Da wußte Nicole, daß alles zu spät war!
Der Regenbogen mußte die Brücke sein, über die Vitana kam. Das Erscheinen der Göttin bedeutete, daß die Hochzeit stattfand… und daß die Mission gescheitert war.
Nicole atmete tief durch.
Jeden Moment würde die Welt um sie herum untergehen, in einem grellen Blitz, der alles auslöschte. Sie bedauerte, daß sie nicht vorher noch einmal Zamorra in den Armen halten, ihn küssen und ihm ihre Liebe beweisen konnte.
Merlin holte sie beide nicht zurück…
Es war zu spät…
Etwas Helles glitt durch den Regenbogen, ein Streifen aus goldenem Licht. Dann begann die farbenfrohe Brücke allmählich zu verblassen.
Da schrie die Menschenmenge abermals auf.
Oben auf dem Turm des Tempels fand ein Kampf statt.
Ein gewaltiger Kampf!
Blitze zuckten, und ein unbeschreibliches Ungeheuer entstand mitten in einem blauen Lichtfeld.
Dann stürzte ein Mann über die Brüstung in die Tiefe…
***
»Laß mich los!« zischte Tiana plötzlich und wand ihre Hand aus dem sanften Griff ihres Bräutigams. »Oder meinst du, ich könnte nicht allein hier stehen?«
»Was ist denn plötzlich in dich gefahren?« fauchte er. »Bist du von Sinnen?«
Auch unter den Gästen und den Zuschauern entstand Unruhe, zunehmende Verwirrung machte sich breit. Erregte Worte wurden gewechselt.
Erste Fäuste wurden geballt, Zorn keimte auf…
Langsam, aber sicher legten sich die Schatten des Wahnsinns über die Menschen im Tempel.
Und der Hohepriester rief die Göttin des Lebens!
Vor dem Altar bildete sich eine weiße flockige Nebelwolke, dehnte sich aus, wurde stärker und zerfloß dann wieder.
Und aus ihrem Inneren trat Vitana heraus, eine strahlende Erscheinung, in Licht gebadet.
Vitana, die Göttin des Lebens!
Und im gleichen Moment, als sie erschien, griffen die bösen Schatten des Wahnsinns auch auf sie über…
***
Zamorra spürte plötzlich einen schmerzhaften Stich. Sekundenlang wurde er aus seinem eigenartigen, euphorischen Zustand gerissen.
Er begriff, was er tat, und er reagierte sofort.
Er verstärkte das Kraftfeld, das der Dhyarra-Kristall immer noch um ihn herum erzeugte. Jetzt konnten ihn die Schatten des Wahnsinns nicht mehr berühren.
Entgeistert sah er den schwarzhäutigen Gnom an, der jetzt förmlich in sich zusammenkroch.
»Verzeiht, Herr deMontagne«, lamentierte er schuldbewußt. »Ich wollte Euch nicht verletzen, Herr. Aber mir schien’s, mit Verlaub, die einzige Möglichkeit, Euch in die Realität zurückzubringen!«
»Was, beim Rülpsfell der Panzerhornschrexe, geht hier vor? Wieso habe ich versucht, den Stein anzuknabbern? Wo sind die Tempelsoldaten? Und…?«
Er verstummte.
»Magie«, raunte der Gnom. »Finstere Magie, Herr. Seltsamerweise konnte sie mich nicht berühren, während Ihr ihr verfallen wart. Jemand begeht Böses in diesem Tempel. Ein grausiges Netz ward gewoben, das jeden verändert, der hineingerät. Wir müssen fort von hier, rasch!«
»Und ob wir das müssen!« stieß Zamorra hervor. »Ich fürchte nur, daß die Tempelkrieger uns nicht einfach entkommen lassen.«
Der Gnom
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